Wohltaten.

Mit dem Allerwertesten knapp überm Grundeis blickt die Regierungskoalition in Berlin auf die drei brandgefährlichen Wahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. 

Da hat man sich ordentlich Schießpulver aufgehoben, um jetzt das große Brillantfeuerwerk der Wohltaten abbrennen zu können. Gerade erst hat Olaf Scholz den Soli auf sozial gerechte Weise fast entsorgt, die Armen (die sowieso keinen Soli zahlen, weil sie weder Lohn-, noch Einkommensteuer zahlen, aber dennoch über die Mehrwert- und die anderen Konsumsteuern den Staat am Leben halten) hat er entlastet – und die Reichen müssen weiter blechen. 

Abgesehen davon, dass der Soli schon längst wieder hätte abgeschafft werden müssen, sind Zeitpunkt und Art der jetzt ausgeheckten Teilaufgabe der Zusatzsteuer der pure Wahlkampf, sogar gegen jene Parteien, die schon seit Jahren erfolglos für die Abschaffung eintreten, weil das Geschenk eben vom lieben Onkel Olaf kommt.

 

Jetzt kommt der zweite Knaller.

Die Unterhaltspflicht von Kindern für ihre pflegebedürftigen Eltern soll laut Kabinettsbeschluss nur noch dann greifen, wenn das Einkommen der Unterhaltspflichtigen 100.000 Euro pro Jahr übersteigt. Auch das ist ebenso gut und richtig, und ebenso lange, wenn nicht noch viel länger überfällig, als der Verzicht auf den Soli, und ist von daher ebenso einzuordnen: Als gezielt getimtes Wahlgeschenk in Zeiten größter Not.

Unglücklicherweise sind aber nicht nur die Regierungsparteien in größter Not – darüber könnte man, so man nicht Mitglied von Union oder SPD ist, mit einem Lächeln hinweggehen – viel, viel schlimmer ist, dass die Wirtschaft einbricht. Im zweiten Quartal ist das BIP nicht nur nicht gewachsen, wie es seine Pflicht gewesen wäre, es ist geschrumpft! Nur um 0,1 Prozent, vorerst, doch für die nächsten Quartale ist keineswegs mit Erholung zu rechnen.

Wenn das Brutto-Inlandsprodukt schrumpft, schrumpft es vor allem da, wo sich im BIP der tatsächliche Umsatz der Wirtschaft, also die Produktion versteckt. Es schrumpft also weder bei den Gehältern der Lehrer, die selbstverständlich auch im BIP ausgewiesen werden, noch bei dem, was am Ende als „Schwarzarbeitsbeitrag zum BIP“ noch hinzugeschätzt wird, sondern bei den produzierten Schweinehälften und bei den Automobilen, so dass angenommen werden muss, dass die Schrumpfung der realen, primären Wertschöpfung noch deutlich höher ausgefallen ist.

Doch damit nicht genug! Fast überall in der Wirtschaft kann ein Gewinn erst verbucht werden, wenn 70, 80 oder gar 90 Prozent der Kapazität ausgelastet sind und die Produktion verkauft werden konnte. Der Rückgang des Umsatzes um 1 Prozent kann daher durchaus bedeuten, dass der Gewinn um 10 Prozent einbricht. 

Sinkende Gewinne auf breiter Front führen nicht nur zum Abbau von Arbeitsplätzen, sie führen auch zu einem deutlichen Rückgang der Steuereinnahmen und des Beitragsaufkommens der Sozialversicherungen.

Angela Merkel hat  – frisch aus dem Urlaub zurück – betont, dass ihr die „schwarze Null“ wichtiger sei als das Klima, und was wichtiger ist als das Klima, das ist schon gleich dreimal wichtiger als das verfügbare Netto-Einkommen der Bevölkerung.

Die Wohltaten, die jetzt in einer Phase der kräftigen Verdüsterung des Konjunkturhimmels ausgeschüttet werden, müssen folglich auf andere Weise finanziert werden. Diese andere Weise wird nicht als Kürzung der Rüstungsausgaben in Erscheinung treten, auch nicht als Kürzung der Zahlungen an die EU – Neuverschuldung kommt nicht infrage, und da steht sie schon in Flammenschrift an der Wand: Die Steuererhöhung.

Fragt sich, was die Wohltaten in Geld wert sind.

10 Milliarden Euro soll die teilweise Abschaffung des Solidaritätszuschlages bringen. (Diese Zahl ist m.E. nach unten geschönt, aber wir wollen ja nicht kleinlich sein …)

Bei der Entlastung von Kindern mit pflegebedürftigen Eltern gehen die Zahlen weit auseinander. Der Bund (also Hubertus Heil) schätzt die Mehrkosten für Länder und Kommunen auf etwa 300 Millionen jährlich, die Kommunen hingegen befürchten, dass Belastungen in  Milliardenhöhe auf sie zukommen.

Also, lasst uns rechnen: In Deutschland existieren rund 11.500 Alten- und Pflegeheime mit insgesamt etwa 1 Million „Betten“. Die Leistungen der Pflegeversicherung reichen in der Regel nicht aus, um die Kosten der stationären Einrichtung zu decken – über den dicken Daumen gerechnet, dürfte es sich da um monatlich rund 1.000 Euro handeln, die fehlen. Dafür muss die Rente, bis auf ein minimales Taschengeld, hergenommen werden, und wenn auch die nicht reicht – dann gibt es jene staatlichen Hilfen, die sich der Staat anschließend von den unterhaltspflichtigen Angehörigen zurückholt.

Vor der Inanspruchnahme der Rente dürfte die „Lücke“ also bei rund 10 Milliarden Euro liegen. Die 300 Millionen, von denen Herr Heil ausgeht, entsprechen drei Prozent dieser Summe. Das ist nicht viel. Wenn man von den gezahlten Durchschnittsrenten ausgeht, müssten, weil es sich eben um den Durchschnitt handelt, pro Pflegeplatz monatlich durchschnittlich 350 Euro fehlen, auf’s Jahr gesehen also 4,2 Milliarden. Dieser Betrag verkürzt sich bei (maximal) 20 Prozent der betroffenen Personen um zusätzliche Einkünfte und angespartes Vermögen, das aufgezehrt werden kann, so dass eher mit drei Milliarden als mit 300 Millionen zu rechnen sein dürfte. Ist aber bloß  eine Null, nicht wahr, Herr Heil, und darum wollen wir kein Aufhebens machen.

Realistisch ist also von einem Betrag zwischen 13 und 15 Milliarden Euro auszugehen, der für Soli und Unterhaltsentlastung im Kampf gegen rechts in Brandenburg, Sachsen und Thüringen ins Gefecht geworfen wird. Sollte die Abwrackprämie für Ölheizungen kommen, die sich Frau Kramp-Karrenbauer ausgedacht hat, das sind das locker noch einmal 10 Milliarden. Zudem ist eine allgemeine Mindereinnahme wegen Konjunkturflaute einzuplanen, vorsichtig, mit weiteren 5 Milliarden, und schon  stehen 30 Milliarden an der Tafel.

 

Aber das ist alles kein Problem. Erstens gibt es ja die Hälfte davon über den Soli und die Unterhalts-Entpflichtung prompt zurück – und zweitens sehnt sich ganz Deutschland so sehr nach einer CO2-Steuer, dass man sie einfach einführen muss, um keinen Aufstand zu provozieren. Das entsprechende Gesetz wird verabschiedet, sobald auch die Thüringer gewählt haben, und es wird wohl schon ab 1. Januar 2020 in Kraft treten müssen, weil sonst die Klimaziele nicht mehr zu erreichen sind.

Hat irgendjemand gute Argumente, die mir helfen könnten, frohen Mutes daran zu glauben, dass es doch ganz anders kommt?
Dann her damit.