Wer schreibt, der bleibt.

Paukenschlag am Donnerstag No. 13 /2019 Hier auch als PDF Pad 13 2019 wer schreibt der bleibt

Wer schreibt, der bleibt, war früher eine beliebte Redewendung, die besonders gerne und berechtigt auf die Verfertiger von Sitzungs- und Besprechungsprotokollen angewendet wurde.

Diese hatte nämlich zwei Vorteile. Einerseits konnten sie sich, ins eifrige Notizenmachen  vertieft, eigener, eventuell problematischer Meinungsäußerungen enthalten, andererseits galt letztlich eben nicht mehr das längst verhallte gesprochen Wort, sondern der Wortlaut des Protokolls, nicht selten vor der Veröffentlichung  von einem oder  mehreren Platzhirschen wohlwollend abgesegnet. Ein Protokollführer, der das Richtige aus dem Gesagten herauszudestillieren und in die erwünschte Form zu gießen fähig war, konnte gar nicht untergehen.

Ein Blick in die real existierende Presselandschaft vermittelt durchaus den Eindruck, dass sämtliche Redaktionen (Ausnahmen bestätigen auch hier nur die Regel) von solchen Protokollführern besetzt sind, um – für den Tag danach – die richtigen Inhalte mit der richtigen Deutung zweifelsfrei festgehalten zu haben. Der Protokollführer recherchiert nicht, er hält nur fest, und zwar nur das, was dem überlegenen Teil der Teilnehmer genehm ist.

Bevor ich auf den Punkt komme, noch eine wichtige Anmerkung: Das was früher als „investigativer Journalismus“ gerühmt und mit Pulitzer-Preisen geehrt wurde, hat seine Marktanteile an die Hofberichterstattung der Protokollanten abgegeben. Ob freiwillig, des schnöden Mammons willen, oder vom schnöden Mammon der Eigentümer erzwungen, soll hier gar nicht diskutiert werden. Zugleich sollen die raren Stücke der Investigativen nicht überbetont werden, denn schon Tucholsky wusste: „Denn dies ist der Zeitung tiefer Sinn, die bessern Sachen stehn nicht drin.“

Mit der rasanten, weltweit beinahe flächendeckenden Verbreitung des Internets und der Smartphones verwandelte sich das Informationsangebot für die interessierten Bürger ganz erheblich. Lange bevor am Sonntagabend in der Tagesschau die rückläufige Zahl der Gelbwesten bei den Protesten in Paris in einer 30-Sekunden-Meldung erwähnt wird, konnten die Interessierten am Samstag stundenlang Livestreams mitten aus dem Geschehen beobachten. Lange bevor einer der vielseitigen „Experten für ALLES“ im  ZDF  erklärt, dass nun eine Blackbox des abgestürzten Boeing Jets gefunden worden sei und man die Auswertung abwarten müsse, schreibt ein erfahrener Lufthansapilot auf seinem Blog so ziemlich alles, was man an Problemen und ihren Ursachen über die Boeing 737 MAX 8 wissen muss, um sich ein eigenes Bild über die Absturzursachen machen zu können. Hat ein Politiker in einer Wahlveranstaltung einen Blödsinn erzählt, der früher nie erwähnt worden wäre, hat es heute garantiert jemand mit dem Handy gefilmt und online gestellt, in ein paar Stunden hunderttausend Klicks eingesammelt, und der Politiker beginnt flugs seinen Spruch zu relativieren, und entschuldigt sich, falls er sich missverständlich ausgedrückt haben sollte. Verzichtpredigende Ökofaxe werden mit ihrem CO2-Fußabdruck an den Pranger gestellt, uralte Reden von Angela Merkel werden zu Kurz-Videos zusammengeschnitten, um die Kurzlebigkeit ihrer alternativlosen Grundüberzeugungen zu illustrieren, und irgendwer  schreibt über die Weltgeschichte, und kommt zu Erkenntnissen, die der offiziellen Geschichtsschreibung widersprechen, bis ganz allmählich neben der Geschichtsschreibung der Protokollanten Details der wahren Geschehnisse, Gesichter und Namend er eigentlichen Drahtzieher auftauchen. Staatspropaganda, so fein sie auch gesponnen sein mag, wird von Beginn an hinterfragt und entlarvt. Dem interessierten Publikum bleibt gar nichts anderes mehr übrig, als alles zu hinterfragen und – vor allem – wieder selbst zu denken.

Niemand sollte sich wundern, dass „die Macht“ dies nicht ohne Gegenwehr einfach so laufen lassen kann. Wer sich in harten Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner und den so genannten Parteifreunden mit Intrigen und Gefälligkeiten, auch mit Lügen und falschen Versprechungen, mit geheimen Dossiers und Rufmordkampagnen bis an die Spitze eines Staates durchgekämpft hat, der lässt sich diesen Erfolg, diese Position, diese Machtfülle und die damit verbundenen Pfründen doch nicht kaputtmachen. Schon gar nicht von all den Niemanden, die da in einem urplötzlich entstandenen Raum der Gedanken- und Meinungsfreiheit, nicht nur Kritik üben, sondern auch hochbrisante Fakten und noch brisantere Schlüsse daraus veröffentlichen.

Menschheitsgeschichte und Geschichtsfälschungsgeschichte sind untrennbar miteinander verbunden. In der Vergangenheit waren es jedoch zumeist die Sieger, die nach dem gewonnenen Krieg die Geschichtsbücher der Verlierer sorgfältig lektorierten – und die eigenen ggfs. dann anpassten. Und wenn alles nicht half, dann hat man Bibliotheken zerstört und Bücher und Schriften verbrannt, weil das darin enthaltene Gift sonst die eigene schöne Fassade aufgelöst und weggefressen hätte.

Wo Diktatoren sich an die Macht gebracht hatten, gehörte es zu den ersten und wichtigsten Taten, die Vordenker des politischen Gegners zum Schweigen zu bringen, ihre Schriften, Bücher und Zeitungen zu verbieten und den Transport von Informationen aus dem Ausland zu kontrollieren und wo erforderlich zu unterbinden. Der Feindsender im Volksempfänger und die Bildzeitung, nur zum Ausstopfen des Fresspaketes an die Verwandten in der Ostzone, das waren staatsfeindliche Akte, die mit allen verfügbaren Mitteln unterbunden und bestraft werden mussten.

Niemand sollte sich wundern, wenn heute das freie Internet in ein Tollhaus der Büttel der Staatssicherheit verwandelt wird.

Die russischen Hacker und Bots von heute, das war im Deutschland des Zweiten Weltkriegs die BBC in London, mit ihren Nachrichten in deutscher Sprache, zu Zeiten der DDR waren es die Westsender, erst der Rundfunk, später das Westfernsehen, das trotz der Installation von Störsendern nicht auszuschalten war. Fake-News und Hate-Speech, diese bewusst unklar und schwammig gehaltenen Begriffe, wurden massiv in die Köpfe gehämmert, um dann alles Missliebige mit einem oder beiden dieser Etiketten zu versehen. Egal, ob sich da nun jemand gegen das dritte Geschlecht oder gegen die Geldpolitik der EZB stellte, ob jemand zwischen Asylsuchenden, Flüchtlingen und Zuwanderern zu unterscheiden versuchte oder Waffenlieferungen in Krisengebiete kritisierte: Mit den Totschlagargumenten „Fake-News“ und „Hate-Speech“ waren diese Diskussionsbeiträge schon hinreichend diskriminiert, um eine seriöse Debatte unmöglich zu machen, und wenn das Grummeln im Volk an der einen oder anderen Stelle doch lauter werden wollte, krönte man die eigene Position mit einer neuen Front im Kampf gegen Rechts.

 

Ist der Ruf erst mal ruiniert – lebt sich’s völlig ungeniert.

Dass ich dieses Sprichwort einmal auf die hochrangigen Vertreter der deutschen politischen Kaste anwenden müsste, habe ich lange nicht für möglich gehalten.

Angefangen hat es mit Schröder, Clement, Müntefering und Gerster. Die Quittung ließ nicht lange auf sich warten. Die SPD verlor ihre Regierungsmehrheit. Das hätte in einer funktionierenden Demokratie nicht nur die Sozialdemokraten sondern auch ihre Nachfolger wachrütteln müssen. Hat es aber nicht. Auf dem ruinierten Ruf der Agenda-Politik Schröders wurde ungeniert weiter auf- und ausgebaut, und dies seit Merkels Amtsantritt zunehmend alternativloser. Doch es war ja nicht nur die Sozialpolitik, in der eine 180 Grad Wende vollzogen wurde. Seit Schröder befindet sich die Bundeswehr dauerhaft im Auslandseinsatz, und ein Ende ist – gegen den Willen der großen Mehrheit der Bevölkerung – nicht in Sicht. Seit Schröder wird auch die Rolle Deutschlands in der EU immer schillernder: Zahlmeister für alles, auch für den Euro, aber in den eigenen Zielsetzungen immer stärker eingehegt von der intransparenten Brüsseler EUrokratie.

So ist heute zu konstatieren, dass es in Deutschland zwar immer noch einen meinungsbeherrschenden Mainstream gibt, dass dieser jedoch von durchaus unterschiedlichen Gruppen mit „Partikularinteressen“, die sich wiederum nicht nach Parteizugehörigkeiten trennen lassen, zunehmend hinterfragt wird. „Baustellen“ an denen das Land nicht weiterkommt, oder gar wie das Kölner Stadtarchiv auf einen Schlag in Grund und Boden versinkt, gibt es genug – und an jedem Bauzaun stehen Menschen, Wähler, Demonstranten, die aufgehört haben amüsiert zu grinsen, sondern längst endlich nach neuen Zielsetzungen, erfolgversprechenden Plänen, nach Fortschritten und vor allem nach der Wiederherstellung der Ordnung rufen.

Hier nur eine kleine, unvollständige, unsortierte und nicht gewichtete Aufzählung:

  • Auslandseinsätze der Bundeswehr
  • Zustand der Bundeswehr, materiell und personell, Flugbereitschaft
  • Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung, prekäre Beschäftigungsverhältnisse
  • Armutsrenten, Altersarmut
  • Renten überhaupt
  • Sprachvergenderung, Homoehe, drittes Geschlecht, dritte Toilette
  • Quotenfanatismus
  • Zuwanderung, Grenzsicherung
  • Mietkosten
  • Diesel-Fahrverbote
  • Kohleausstieg ohne Konzept für die Sicherung der Elektrizitätsversorgung
  • Maroder Zustand der Infrastruktur (Straßen, Brücken, Schulen, Kindergärten, Kanalisation)
  • Privatisierung der Infrastruktur der Grundversorgung
  • Sozial unausgewogenes Besteuerungssystem
  • Pflegekosten, Pflegepersonal, Pflegemängel
  • Terroranschläge, Merkel-Poller, Armlängen-Abstands-Gebot
  • Risiken im Bankenbereich
  • EZB Währungspolitik
  • Waffenlieferungen an die Saudis und andere Kriegsparteien
  • US-Sanktionen gegen deutsche Unternehmen
  • US-Botschafter Grenell
  • Meinungsfreiheit, Überwachungsstaat,
  • Antifa-Übergriffe
  • Strompreise für Endverbraucher
  • EU-Problematik, BREXIT, Visegrad, Italien
  • China-Politik
  • Russland-Politik
  • NATO-Politik
  • Impfpflicht
  • Widerspruchsregelung für Organentnahmen
  • und so weiter …

Nach meinem Eindruck sieht es inzwischen so aus, dass die meisten Wähler beim Großteil dieser Problemthemen, weil sie weder betroffen sind, noch sich aus anderen Gründen dafür interessieren, mit der Arbeit der Regierung „im Großen und Ganzen“ zufrieden sind. Das ist das, was die Demoskopen immer wieder abfragen.

Allerdings wird die Zahl derjenigen Wähler, denen nicht mindestens eines dieser Problem auf den Nägeln brennt, immer kleiner, während der „Leidensdruck“ wächst, so dass der Zeitpunkt näher rückt, an dem sich das „im Großen und Ganzen zufrieden“ nicht mehr eignet, um die punktuellen Unzufriedenheiten zu überdecken. Dies wäre dann auch der Punkt, an dem es heißt: „Unzufriedene aller Arten, vereinigt euch!“ Warnwesten finden sich auch in über 40 Millionen in Deutschland zugelassener Pkws.

Wäre das nur mein Eindruck, und wäre dieser Eindruck falsch, es hätte keinen Anlass gegeben, die Daumenschrauben in Bezug auf die Meinungsfreiheit immer weiter anzuziehen. Es war doch schon geschafft, durch manipulative Hofberichterstattung und zielgerichtetes Nudging die „Anderen“ in die soziale Ächtung zu werfen. Aber sie sind eben nicht verstummt, nach wie vor in unterschiedlichen Bereichen kritisierend, nicht über die gesamte Gesellschaft vereint, ja sogar sich gegenseitig bekämpfend, aber doch alle im übergeordneten Topf der „Unzufriedenen“ zu finden.

Schnell musste, mit heißer Nadel noch vor den letzten Wahlen gestrickt, ein Netzwerkdurchsetzungsgesetz her, mit der Verpflichtung der großen Internetkonzerne, schnell und gründlich zu löschen, was unter Umständen den schwammigen Begriffen „Hate-Speech“ und „Fake-News“ zugerechnet werden könnte. Flankiert von der Datenschutzgrundverordnung, die aufgrund lächerlicher Verstöße gegen lächerliche Vorschriften zusätzliche Möglichkeiten bieten sollte, vor allem den kleineren Plattformen und Bloggern mit juristischen Mitteln das Leben schwer zu machen.

Nun hat die EU mit neuen Regelungen zum Urheberrecht und Leistungsschutzrecht ein Werk geschaffen, das jeglicher Kritik die Möglichkeit nimmt, sich zitierend auf das Kritisierte zu beziehen, weil dies eben urheberrechtlich geschützt ist, und zudem mit dem technischen Zwang zu Uploadfiltern eine neue, breit wirksame Zensurinstanz geschaffen, die wiederum nicht von Staatsanwälten und Richtern juristisch abgesichert wird, sondern erst einmal in den Händen privater, gewinnorientierter Unternehmen liegt, deren Interesse, nicht für die Uploads ihrer User in Haftung genommen zu werden, viel größer ist als ihr Interesse, tatsächliche Meinungsvielfalt ins Netz zu stellen.

Die virtuelle Bücherverbrennung ist in vollem Gange, und die Millionen, die dagegen EU-weit auf die Straße gegangen sind wurden arrogant ignoriert. Da ging es nicht um Haltungsnoten und argumentative Brillanz, sondern einzig darum, jetzt diesen Sieg davonzutragen, um die Massen von gefährlichen oder auch nur missliebigen Informationen abzuschneiden.

Facebook hat nun von sich aus den nächsten Schritt angekündigt. Zuckerberg will alles löschen lassen, was noch irgendwie den Eindruck macht, es könnte die nicht existente „Überlegenheit der weißen Rasse“ zum Ausdruck bringen.

Zuckerberg hat Recht. Zumindest in Bezug auf Deutschland.

Was die „weiße Rasse“, samt aller „alten weißen Männer“ und der ebenfalls nicht minder aktiven „alten und nicht ganz so alten weißen Frauen“ in den letzten 30 Jahren aus dieser Republik gemacht hat, gibt nämlich in keiner Weise Zeugnis von irgendeiner Art von Überlegenheit. Das hätten Robert Mugabe oder Bruno Tshibala genauso geschafft, wenn nicht gar noch schneller und gründlicher.

Zynismus?

Ja.


Das Buch zum Paukenschlag:

Demokratie – Fiktion der Volkswirtschaft.
(hier zu haben)