Tri, tra, trullala – Angela ist wieder da!

Sorry, da hat sich ein LINK-Fehler eingeschlichen. Den Artikel zur „vorsorglichen Ankündigung vom 29. Mai 2019 finden Sie

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Als wäre sie nie abgetaucht gewesen, ist Angela Merkel nach vollbrachtem Wahldebakel  wie ein Springteufel aus der Kiste wieder an Bord und  drängelt.

Es müsse jetzt schnell gehen, meint sie. Die EU-Ämter sollten bis Anfang Juli besetzt sein. Rasche Entscheidungen würden gebraucht – und es bliebe beim Spitzenkandidaten-Modell.

AKK, die tollkühne Meinungsreguliererin, steht im Schlagschatten der Mäfradewe*) und ist offenkundig hinter der Dominanz Merkels akut abgemeldet. Es würde mich nicht wundern, wenn sie noch vor der nächsten Bundestagswahl – wann immer die stattfinden wird – den Rückzug ins Saarland antreten müsste.

Merkel jedoch, die von sich behauptet, die Dinge immer vom (angestrebten) Ergebnis her, also „top down“, zu betrachten, fällt mit ihrer im Grunde unnötigen, ja kontroproduktiven Hastigkeit ebenso auf, wie mit ihrem Bekenntnis zum Spitzenkandidaten-Modell. Was treibt sie um?

Nicht jeder weiß, was mit dem Spitzenkandidaten-Modell gemeint ist, daher vorab eine kurze Erklärung. In den EU-Verträgen ist festgelegt, dass der Europäische Rat, nicht zu verwechseln mit dem Europa-Rat, der mit der EU nichts zu tun hat, aber gerne so tut, sich abstimmt und alle fünf Jahre, im Gleichschritt mit dem Wahlen zum EU-Parlament, einen Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten vorschlägt. Niemand anders kann diesen Vorschlag unterbreiten. Keine Fraktion des EU-Parlaments hat dafür die Kompetenz, nur der Rat. Der Rat ist dabei jedoch gehalten, den Ausgang der Parlamentswahl zu berücksichtigen.

Dieses „Berücksichtigen“ lässt vielerlei Deutungen zu. Man kann es so interpretieren, dass der Rat die stärkste Fraktion berücksichtigen soll und folglich einen Kandidaten aus deren Reihen vorzuschlagen hätte. Man kann es so interpretieren, dass der Rat über die möglichen, fraktionsübergreifenden Mehrheitsverhältnisse im Parlament nachdenken sollte und einen Kandidaten vorschlagen, der voraussichtlich von der zum aktuellen Zeitpunkt wahrscheinlichen Mehrheit angenommen werden würde. Man kann es jedoch auch so interpretieren, dass der Rat mit seinem Kandidaten auch einen Gegenpol zu bestimmten Fraktionen / Mehrheiten / Gruppierungen aufbieten kann, wenn er dies für die Fortsetzung seiner politischen Linie für geboten hält. Kurz: „Berücksichtigen“ bedeutet im Grunde gar nichts.

Das Spitzenkandidaten-Modell besagt hingegen, dass die Wahlen zum EU-Parlament automatisch zu einer Mehrheits-Koalition im Parlament führen und dass aus dieser Koalition heraus, einer der schon im Wahlkampf benannten „Spitzenkandidaten“ ein Anrecht darauf hätte, Kommissionspräsident zu werden.

Macron lehnt diesen nicht in den EU-Verträgen verabredeten Automatismus ab und will das Primat der EU-Politik einzig und allein im Rat verankert sehen. Merkel geht nun auch in dieser Frage auf Konfrontationskurs zum französischen Präsidenten und wird es auf diese Weise mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit verhindern, dass der von ihr nicht geliebte Niederbayer Manfred Weber Kommissionspräsident wird. Entweder, Macron setzt sich im Rat durch und lässt die Spitzenkandidaten-Träume platzen, dann kann es Weber nicht werden, oder Merkel setzt sich mit dem Spitzenkandidaten-Modell durch, dann muss sie zum Ausgleich unter Absonderung von Krokodilstränen auf Weber verzichten und lacht sich ins Räutchen, denn dann wird es Frans Timmermans, der weit weniger aufmüpfig und bereits von den Mühlen der EU abgeschliffen das Amt übernehmen und zuverlässig auf Linie weiterführen wird. Siehe dazu auch: Die Leere nach Juncker

Das wirkt natürlich auch bundespoltisch und verweist Seehofer und Söder erneut und nachhaltig an den christsozialen Katzentisch innerhalb der Union.

Der Termindruck, den sie zugleich aufbaut, ist ihre Rückversicherung. Wir kennen das ja: „Ich habe immer gesagt“, wird sie dann wieder sagen, und jede Mitschuld, woran auch immer, weit von sich weisen.

In der Gewissheit, dass das neue Parlament,

das mit fast einem Drittel von Abgeordneten besetzt ist, die sich mindestens markante Reformen wünschen und vor allem den Rückbau von EU-Kompetenzen zu Gunsten der Nationalstaaten anstreben, wenn sich das Brausen des frühen Gärungsprozesses erst einmal gelegt hat,

sich nur unter Aufbietung allergrößten diplomatischen Geschicks und materieller Anreize auf den erstbesten vom Rat vorgeschlagenen Kandidaten einlassen wird, soll möglichst noch vor der konstituierenden Sitzung die Entscheidung ausgekungelt worden sein und auch im Hinblick auf die Ämter des Parlamentspräsidenten, des „EU-Außenministers“ und des neuen EZB-Chefs alles so miteinander verknotet sein, dass die zwei Drittel Pro-EU-Abgeordneten allem zustimmen, weil alle Fraktionen ihr Zuckerchen erhalten haben.

Gelingen diese Hinterzimmer-Entscheidungen im Rat nicht bis Anfang  Juli, und haben sich die Abgeordneten erst einmal gefunden und begonnen, ihre Interessen auf Gemeinsamkeiten und Widersprüchlichkeiten abzuklopfen, droht in Brüssel – wenn auch vor anderem Hintergrund – eine Neuauflage der Regierungsbildung in Deutschland nach der Wahl vom Herbst 2017. Erschwert dadurch, dass nicht „ein Bundestag“ mit seinen Fraktionen zu einem Ergebnis kommen muss, sondern dass der Rat raten muss, wer eine Chance haben wird, während ein inhomogenes Parlament im Zweifelsfall mit einer fehlenden Stimme den Kandidaten ablehnen kann. Erinnert auch ein bisschen an das britische Unterhaus in der BREXIT-Frage – und es ist nicht allzu weit hergeholt, wenn in diesem Fall Angela Merkel ungewollt in der Rolle von Theresa May mit dem Karren im Dreck alleingelassen würde.

Die wird meines Erachtens dadurch wahrscheinlicher, dass die Zeiten vorbei sind, in denen Angela Merkel nicht nur in Berlin, sondern auch in Brüssel beliebig Druck und die Pferde scheu machen konnte. Macron steht in einem heimatlichen Zwei-Fronten-Krieg – gegen die Gelbwesten und Le Pen – mit dem Rücken zur Wand und braucht zumindest einen außenpolitischen Befreiungsschlag. Das könnte im Rat zu einer informellen Koalition gegen Merkel ausarten, in der sich Frankreich, die immer noch zugehörigen und antimerkeligen Briten, die von der EU gescholtenen Polen, Ungarn und Italiener, mit Schützenhilfe aus Österreich und Tschechien zusammenschließen. Diese „Verschwörung“ braucht allerdings viel Zeit, um sich wirklich auf das Ziel und die Verteilung der Beute zu einigen, und wird daher womöglich auf Merkels Eilbedürftigkeit zum Schein eingehen, sich durch fortgesetzte Vorschläge aussichtsloser Kandidaten aber die notwendige Zeit verschaffen und Merkel dabei zermürben.

 

*) Mäfradewe = mächtigste Frau der Welt