SPD – Lebenswille erloschen

Nahles muss weg.

Nahles ist weg.

Nahles fehlt.

Ist es noch ein Trauerspiel oder schon eine Komödie?

Normal ist es jedenfalls nicht, dass eine Parteivorsitzende wegen des fehlenden Rückhalts in ihrer Partei den Befreiungsschlag wagt und den Krempel hinwirft – und dann nichts passiert. Kein Jubelruf der unterdrückten Gegenspieler, kein Gedränge der potentiellen Erben um den Platz an der Spitze,  ja es sieht so aus als würden alle, die infrage kämen, nichts eiliger zu tun haben, als das Erbe auszuschlagen.

Der Scholz will nicht, der Schulz auch nicht, der Heil nicht, der Klingbeil nicht, der Schäfer-Gümbel nicht, die Malu nicht und die Manu auch nicht.

Warum um Himmels willen habt ihr die Andrea denn dann gestürzt? Habt ihr alle miteinander gehofft, es würde sich schon jemand finden, der übernimmt, und alles besser werden lässt, obwohl da, wie man jetzt deutlich sieht, nie jemand war, der  in die seit Helmut Schmidt für alle Nachfolger viel zu großen Schuhe hätte steigen wollen.

Die SPD liegt wie ein schwerverletzter Motorradfahrer mit Organspenderausweis hirntot auf der Intensivstation. Künstlich beatmet vom Odem der GroKo, das Entnahme-Team steht bereit, aber es findet sich nicht ein einziger todkranker Patient, der nicht lieber ohne Spenderorgan stürbe, als sich wenigstens  die halbwegs intakte linke Niere, die Bauchspeicheldrüse oder eine Hornhaut von der SPD einpflanzen zu lassen. Herz, Lunge, Leber nimmt schon gar keiner. Man weiß um das lange Siechtum vor dem Hirntod und fürchtet eher die Verschlimmerung des eigenen Leidens als Rettung.

Es wird nicht mehr lange dauern, und die Ärzte werden die Beatmungsmaschine abstellen und alle lebensverlängernden Maßnahmen abbrechen, doch der hirntote Körper wird spontan wieder anfangen selbstständig zu atmen. Das Ende der GroKo bringt die SPD nicht um. Das ist ein immer noch lebensfähiger Haufen Biomasse, nur eben kopfloser als  Klaus Störtebeker nach seiner Hinrichtung (An elf Männern schritt der Geköpfte vorbei, bevor ihm der Henker den Richtblock vor die Füße warf).

Eine Partei braucht mindestens eine charismatische Figur mit einer großen Vision an ihrer Spitze,
um sowohl die eigenen Mitglieder zu motivieren als auch den Wählern eine annehmbare Option zu bieten.

Nahles war diese charismatische Person nicht, Gabriel war sie auch nicht, bei Martin Schulz war die Luft schneller raus aus dem Ballon, als man hinschauen konnte. Sicherlich war dieses Unwohlsein in der Partei und vor allem bei allen, die sich Hoffnung machten, in der Partei Karriere machen zu können, stark verbreitet. Aber da waren nur Scharen von Trittbrettfahrern, die abgesprungen sind und den Nahles-Zug zum Entgleisen brachten, weil sie erkannten: So wird das nichts, mit der Karriere. Aber es war eben keiner darunter, der sich zutraute, es besser zu machen und von daher die offene Auseinandersetzung um Ziel und Richtung zu eröffnen.

Nahles war die Letzte, die den Mut hatte und naiv genug war, zu glauben, ihre persönlichen Fähigkeiten würden ausreichen, das Parteischiff auf Kurs zu halten. Sie hat der  SPD nicht gutgetan. Egal was die Trauerrednerin Merkel an schönen Abschiedsworten zu sagen wusste.

Nun verrottet die übriggebliebene Biomasse. Sicherlich, in den Ortsvereinen gibt es noch die in Ehren ergrauten Idealisten, bei den Jusos die jugendlich unerfahrenen Weltenretter mit groß gewachsenen, aber noch nicht ausgehärteten Hörnern, doch über allem liegt das Leichentuch der Hoffnungslosigkeit, was dazu führen wird, dass die enttäuschten Karrieristen einer nach dem anderen nach dem Ausgang streben und sich anderswo andienen, wo ein frischer Wind weht und die Wahlergebnisse einen steilen Aufwärtstrend anzeigen. Wie viele Neueintritte hatten die Grünen in letzter Zeit zu verzeichnen? Kamen die alle von den Nichtwählern, von der Union, von den freien Demokraten? Ich vermute, der Aderlass der SPD hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Grünen ganz erheblich an Mitgliedern gewonnen haben.

Eine Partei braucht eine erkennbare politische Ausrichtung,
bei der über alle Politikfelder hinweg eine Option für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe oder Gesellschaftsschicht klar zutage tritt.

Was häufig zu hören und zu lesen ist, der SPD sei ihrer Stammwählerschaft abhanden gekommen, weil es den „typischen Vollzeit-Arbeiter oder -Angestellten“ mit der intakten Erwerbsbiografie in einer veränderten Wirtschaftswelt nicht mehr gäbe, ist doch Humbug. Die SPD hätte jede Gelegenheit gehabt, ihre einst wesentliche Rolle, nämlich als Beschützer und Fürsprecher der materiell Schwächeren aufzutreten und gegen Konzernmacht und übermäßige Ausbeutung einzuschreiten, kontinuierlich den veränderten Bedingungen anzupassen, hätte sie nicht selbst, mit dem großen Vorsitzenden Schröder an der Spitze, das Lager gewechselt und sich als Genossin der Bosse positioniert. Die SPD hätte jede Gelegenheit gehabt, sich nach dem Machtverlust von Schröders Kurs zu verabschieden und ihre alten Werte wieder hochzuhalten. Sie hat es nicht getan und ist immer noch der Überzeugung, Schröder sei kein Schandfleck in der SPD-Geschichte gewesen, sondern der Erlöser Deutschlands. Daher hat die SPD die Fortsetzung seiner Politik im Verein mit der Union unerschütterlich mitgetragen und sich nur bemüßigt gefühlt, nach kosmetischen Korrekturen zu rufen, die aber ihre von neoliberalem Gedankengut durchdrungene Grundeinstellung nicht wirklich überdecken können.

Gerne würde ich noch ergänzen, eine Partei brauche auch das Vertrauen in die Integrität ihrer Führungsfiguren und in die Zuverlässigkeit ihrer politischen Aussagen,

doch ist dies offenkundig nicht mehr der Fall. Parteien werden  heute mehr aufgrund von medial erzeugten Stimmungslagen gewählt und aufgrund der damit transportierten Suggestion, die Wahlentscheidung könne sich eventuell positiv auswirken. Wähler, die sich noch intensiv mit dem politischen Angebot auseinandersetzen, bevor sie ihr Kreuzchen malen, sind nach meiner Einschätzung nur noch selten anzutreffen.

Dies trifft aber eben nicht nur auf die SPD zu, die in der derzeitigen Stimmungslage untergegangen ist, es trifft ebenso auf die die CDU zu, die nur deshalb langsamer sinkt, weil sie von einer höheren Ausgangsposition gekommen ist.

Annegret Kramp-Karrenbauer ist doch die Nahles der CDU!

Erkennbar überfordert, von der eigenen Partei in kürzester Zeit zur Karikatur ihrer selbst verschlissen, wird sie wohl die letzte Parteivorsitzende der CDU gewesen sein, die mutig und naiv genug war, zu glauben, ihre persönlichen Fähigkeiten würden ausreichen, das Parteischiff auf Kurs zu halten. Noch ein paar Wahlen weiter, Sachsen, Thüringen, Brandenburg stehen auf der Agenda, wird auch sie kaum noch anders können, als von sämtlichen Ämtern zurückzutreten, wenn sie nicht schon vorher die Reißleine zieht.

Und – was steht dann in der zweiten Reihe bereit? Wer würde sich in der bevorstehenden Auseinandersetzung auf Leben und Tod mit den Grünen gerne als Opferanode verbrauchen lassen, bis vielleicht die Union wieder einen Kurs gefunden hat, und eine überzeugendere Gallionsfigur vorzuweisen hat, als ihre Operettenstars Armin Laschet (Land des Lächelns), Jens Spahn (Bettelstudent), Julia Klöckner (Czardasfürstin), Friedrich Merz (Hoffmanns Erzählungen), u.v.a.m. …?

Ja. Die Angst vor dem Wähler geht um, in den Parteizentralen.
Wer kann, und jung genug ist, sucht sich einen sicheren Platz zum Überwintern – oder wechselt schnell das Fähnchen.

Die Krise der SPD ist nur die Ouvertüre.