ROM irreversibel kaputt

ROM steht hier weniger für die Hauptstadt Italiens, sondern für den Hauptsitz der Weltmacht der katholischen Kirche. Von diesem ROM ist über die Jahrhunderte unendlich viel Leid über die Welt gebracht worden, denn hinter dem christlich caritativen Mantel stand seit dem Untergang der frühen urchristlichen Gemeinden, wie der sich im Schafspelz verbergende Wolf, eine Institution gewissenloser und jeglicher Nächstenliebe entbehrender Macht. Keine Sorge, ich will hier keine Kirchengeschichte erzählen. Wer daran Bedarf hat, darf googeln und wird fündig werden.

Wer sich den Papst, die Kardinäle, Bischöfe und Priester anschaut, sieht die Maschinerie der Machtentfaltung. Strikt reglementiert, strengen Gehorsam einfordernd, dogmatisch bis zum letzten Röcheln. Nach außen hin dem Zwecke dienend, die Menschen zu Gott zu führen, sie von ihren Sünden freizusprechen und ihnen damit einen Platz im Paradies auf Ewigkeit zu sichern. Die Kirche ist also ein Apparat, in dem ihr eigentlicher Kern, der christlich-katholische Glaube, verborgen ist,  der an Sonn- und Feiertagen, bei Erstkommunionsfeiern, Hochzeiten, Kindstaufen und Beerdigungen für die Gläubigen sichtbar herausgekehrt wird.

„Kirche“ als Institution und „Glaube“ sind nicht identisch, allerdings hat sich die Kirche über ihre eigenen, selbstgemachten Lehrinhalte untrennbar mit dem Glauben verbunden, ja eher sogar: sich darin verstrickt.

Von daher ist eine Reform der Institution nicht möglich, ohne die Glaubenslehre zumindest in Teilen außer Kraft zu setzen.

Was einmal als „von Gott gegeben“ in den Glaubensinhalt hineingewoben wurde, wie zum Beispiel der Zölibat, kann nicht aufgehoben werden, ohne damit zuzugeben, über Jahrhunderte eine Irrlehre verkündet zu haben. Daher war es auch nicht möglich, das Dogma der Unauflöslichkeit der Ehe aufzugeben. Um die Wiederverheiratung Geschiedener zu ermöglichen, also dem „Zeitgeist“ entgegenzukommen, musste die absonderliche Konstruktion geschaffen werden, in der ein kirchliches Gericht darüber zu befinden hat, ob die erste Ehe „im katholischen Verständnis“ tatsächlich gültig geschlossen wurde. Dabei gilt vermutlich so lange die Vermutung, dass eine Scheidung im Grunde nur die Folge einer nicht gültig geschlossenen Ehe sein kann, weil es sonst gar nicht zur Scheidung hätte kommen können, wie die vom Geschiedenen in Aussicht gestellte „Spende“ den zu treibenden Aufwand deutlich übersteigt. Gleiche, unlösbare Probleme stellen sich der Kirche in Bezug auf die Frau im Priesteramt, obwohl der Zeitgeist hier beginnt, eine Lösung anzubieten, nämlich die Transgenderformel von „dem Mann, gefangen im Körper einer Frau“. Es ist nicht auszuschließen, dass ein kirchlich dominiertes Gremium aus Psychologen und Fachärzten künftig Frauen die Zulassung zum Priesteramt ermöglichen wird, so deren Transgendereigenschaft „im katholischen Verständnis“ tatsächlich besteht.

In Bezug auf die Homosexualität kämpft die katholische Kirche einen aussichtslosen Kampf auf verlorenem Posten. Bedenkt man, dass diese katholische Kirche einst mit dazu beigetragen hat,  dass zum Beispiel im christianisierten Spanien spätestens ab 533 n. Chr. von Justinian I. als Strafe für ertappte Homosexuelle erst die Kastration und anschließen das Brennen auf dem Scheiterhaufen vorgeschrieben wurde, während man heute „die Neigung“ duldet, aber zugleich im Spagat erklärt, dass „Handlungen“ in keinem Fall zu billigen sind, homosexuellen Menschen aber dennoch mit „Achtung, Mitleid und Takt“ zu begegnen sei und sie nicht diskriminiert werden dürfen, dann hat sie durchaus einen weiten Weg zurückgelegt, um sich vom ursprünglichen Glaubensinhalt zu entfernen, ohne ihn jedoch wirklich aufzugeben.

Das Gummiband, das Kirche und Glauben an dieser Stelle zusammenhält, ist weit überdehnt, ja – gerade in Bezug auf die gerade tobende Diskussion um Missbrauch in der Kirche – stellt sich heraus, dass die Institution die in weiten Teilen von Homosexualität ergriffen ist, dennoch nicht die Kraft hat, sich vom Glaubensfaden zu lösen, weil auch hier der Beweis eines jahrhundertelang vertretenen Irrglaubens erbracht wäre. Die Sonne dreht sich nun einmal so lange um die Erde, wie die Kirche es will.

Es ist also auch Franziskus nicht möglich, die Kirche zu erhalten und zugleich an den Glaubensinhalten zu drehen. Wird die Kirche aber weder den Zölibat aufheben, noch die Homosexualität als Spielart der Sexualität vollständig akzeptieren, nicht nur tolerieren, wird der Sumpf des Missbrauchs nicht auszutrocknen sein.

ROM steht vor einer Situation, die der des Jahres 1517 nicht unähnlich ist. Damals nagelte Martin Luther der Überlieferung nach seine 95 Thesen an die Tür der Klosterkirche zu Wittenberg. Er hat die unter anderem wegen des Ablasshandels von ihm kritisierte Institution hinter sich gelassen, eine neue Institution, die evangelische Kirche ins Leben gerufen,  und den ganzen dogmatischen Müll, den die katholische Kirche über die Jahrhunderte aufgehäuft hatte, zurückgelassen und nur jene Glaubensinhalte mitgenommen, die er für authentisch christliches Glaubensgut erachtete.

Nur so geht Reformation.

Heute sind es die engagierten Laien, die ROM den Spiegel vorhalten und sich nicht länger mit dem inzwischen weiter gewachsenen dogmatischen Müllhaufen identifizieren wollen. Heute ein Sturkopf wie Luther, … und die katholische Kirche würde erneut massiv zur Ader gelassen.

Aber solange die Schäfchen nicht aufbegehren, also in Scharen austreten, solange sich kein neuer Christ findet, der den Mut hat,  zu sagen, er habe den „Kern des Glaubens“ gefunden, der von ROM immer weiter verschüttet und eingemauert worden war, der also eine neue Abspaltung auf sich nimmt, wird ROM ROM bleiben. Irreversibel kaputt, aber weder fähig zur Reform, noch zur Selbstauflösung. Letzteres scheitert schon an der Frage, wem der grenzenlose materielle Reichtum nach der ideellen Insolvenz zufallen soll.

Es mag zu weit gehen. Es mag manchen wirklich frommen Katholiken, ob nun im Laienstand, im Priesteramt oder in höchsten Kreisen der Kurie aufrichtig gläubig wirkend, ungerecht treffen, aber die Frage, ob die katholischen Kirche sich nicht in Teilen auf die Definition einer „kriminellen Vereinigung“ zubewegt, muss jetzt gestellt werden.

Eine endlose Kette von Kinderpornografie, Kindesmissbrauch, Vergewaltigung, auch von Nonnen, als eine sich selbst zugestandene Freiheit gegen Recht und Gesetz, gedeckt von einer Machtstruktur über sämtliche Hierarchiestufen hinweg: Würde man das einer Mafia-Gesellschaft beweisen können, es gäbe langjährige Freiheitsstrafen mit anschließender Sicherheitsverwahrung wegen Wiederholungsgefahr.

Welche feinen juristischen Unterschiede helfen der katholischen Kirche, sich vom Staatsanwalt weitgehend unbehelligt fühlen zu dürfen?