Rentenkassen-Arithmetik und Bestands-Erhaltungs-Migration

Wladimir Putin hat ein Problem mit den russischen Rentnern.

Zum Leidwesen unserer  westlichen Wertegemeinschaftsmedien eignet sich das Thema aber nicht besonders gut, um die Überlegenheit des russophoben Westens zu demonstrieren, denn wer hat da kein Problem mit seinen Rentnern?

Aber es taugt immerhin noch, um daran nachweisen zu können, dass es die Russen auch nicht besser können – und das ist dann schon wieder ein Argument, das jedem aufbegehrenden Rentner entgegengehalten werden kann, damit er still sein möge, bis zum kühlen Grab.

Natürlich kann man „die Rente“ ungeheuer kompliziert und für den Laien vollkommen undurchchaubar darstellen und im großen chaotischen Wust dann auf das große, gähnende Loch zeigen und erklären, es handle sich um ein Naturereignis, das sich leider von Generation zu Generation immer wieder unerbittlich wiederholt.

Dabei ist „Rente“ überhaupt nicht kompliziert. Nein, wirklich nicht.
Das wird keine Satire!

 

Rente ist überhaupt nicht kompliziert.

Um das zu begreifen, muss man sich nur das ganze staatlich organisierte Zwangsrentensystem wegdenken und sich fragen, womit dann zu rechnen wäre.

Grob gesprochen würden sich schnell zwei Gruppen von „Alten“ herauskristallisieren, die sich stark voneinander unterscheiden, nämlich

  1. Alte Menschen, die im Familienverbund von Kindern, Enkeln und anderen nahestehenden Personen aufgefangen und versorgt werden, und
  2. Alte Menschen, die auf sich alleine gestellt sind, weil es in ihrem familiären Umfeld keine junge Generation gibt, die für sie sorgen könnte oder Lust hat, für sie zu sorgen.

Es ist unmittelbar einsichtig, dass die Leute aus der A-Gruppe gegenüber denen aus der B-Gruppe grundsätzlich besser dran sind, doch auch hier lassen sich wieder zwei Untergruppen bilden, nämlich jene, (A1) deren Familie ausreichend gut für ihre Alten sorgen kann, und jene, (A2) deren Familie die Alten nur unter erheblichen eigenen Entbehrungen versorgen kann.

Diese Gruppenbildung ist vollkommen unabhängig davon, ob die Bevölkerung eines armen Landes betrachtet wird, oder ob es sich um einen so genannten „reichen Staat“ handelt. Es gibt da lediglich Verschiebungen im Wohlstandsniveau der Gesamtgesellschaft, jedoch keine grundsätzlich anderen Kategorien von alten Menschen, die auf Versorgungsleistungen anderer angewiesen sind.

So, und nun denken wir uns das Rentensystem, so wie wir es haben, wieder hin.

Dabei fällt es uns wie Schuppen von den Augen, dass die Angehörigen der Altenkohorte A1 von denen der Kohorten A2 und B über den Tisch gezogen werden, weil das, was die Familien der A1er erwirtschaften und für ihre Alten erübrigen können, gleichmäßig unter alle Rentner verteilt wird, was im HInblick auf den Gerechtigkeitsaspekt zunächst einmal fragwürdig erscheint.

Allerdings wird so verteilt, dass von dem Kuchen, den die A1er-Familien erwirtschaften, die Rentenzahlungen aller Empfänger entsprechend den von ihnen selbst geleisteten Rentenbeiträgen berechnet werden, was wiederum ‚irgendwie‘ gerecht erscheint.

Die Lehre aus den bisherigen Erkenntnissen lautet, dass die Funktionsfähigkeit eines umlagefinanzierten Rentensystems ausschließlich davon abhängt, wie das Verhältnis von A1-Alten zu A2- und B-Alten aussieht.

Sind die A1-Alten deutlich in der Mehrheit, fällt die vom System bewirkte Umverteilung zu den A2 und B Alten kaum auf. Das Rentenniveau ist insgesamt hoch und liegt nur knapp unterhalb dessen, was die A1 Alten erhielten, müssten sie nicht teilen.

Weil sich manche damit schwertun, sich solche Zusammenhänge in einprägsamer Form vorzustellen, hier einfach eine kleine Tabelle:

Beispielhafte Darstellung
der Wirkung von Arbeitslosigkeit, Niedriglohn und Kinderlosigkeit
auf das Rentenniveau und die tatsächlich darstellbaren Renten

Anteil A1 Alte Anteil A2 Alte Anteil B Alte Rentenniveau Niedrigste
Rente
Höchste
Rente
100 % 100 % 1.000 € 3.000 €
90 % 10 % 90 % 900 € 2.700 €
70 % 20 % 10 % 70 % 700 € 2.100 €
50 % 30 % 20 % 50 % 700 € 1.300 €
40 % 40 % 20 % 40 % 700 € 900 €
30 % 40 % 30 % 30 % 600 € 600 €

 

Diese Tabelle enthüllt im Grunde das ganze Problem der Rentenversicherung.

Der Kuchen, der verteilt werden kann – und hier trifft sich die von den Alten ausgehende Betrachtungsweise mit der üblichen demografischen – muss von den gutverdienenden Jungen gebacken werden.

Je kleiner die Gruppe der gutverdienenden Jungen innerhalb der Gesamtgesellschaft ist, desto niedriger fallen die Rentenzahlungen aus und desto weniger kann die Lebensleistung der Beitragszahler über die Rentenhöhe zum Ausdruck gebracht werden.

Der Punkt, an dem es für alle nur noch eine einheitliche, niedrige Grundrente geben kann, ist im obigen Beispiel bei einem Anteil von 30% jener Alten erreicht, deren Kinder genug verdienen, um ihre Angehörigen im Rentenalter gut versorgen zu können – gäbe es keine Zwangsversicherung.

 

Der blinde Fleck im Generationenvertrag

Als die umlagefinanzierte Rente erfunden wurde, ging man wie selbstverständlich davon aus, dass der so genannte Generationenvertrag, dass also jeweils die gerade berufstätigen Jüngeren die nicht mehr berufstätigen Alten versorgen, am Mangel an arbeitsfähigen Jungen nicht scheitern könne. Damals war weder die Pille erfunden, noch hatten sich jene durch und durch egoistischen Gedanken in den Köpfen eingenistet, die im Verzicht auf das eigene Kind einen Gewinn an Lebensqualität zu erkennen glauben.

Es erschien zu Bismarcks Zeiten folglich niemandem erforderlich zu sein, in das Regelwerk der Rentenversicherung auch eine Pflicht zur Zeugung und Aufzucht künftiger Beitragszahler aufzunehmen.

Erst heute wird klar, dass der Generationenvertrag den Berufstätigen nicht nur die Pflicht auferlegt, ihre Rentner zu alimentieren, sondern ebenso die Pflicht, alle Kosten zu tragen, die durch die eigenen Kinder entstehen, bis diese selbst berufstätig sind.

Die Tatsache, dass zur Finanzierung der Kinderaufzucht nicht analog zur Rentenversicherung ebenfalls eine Pflichtversicherung gegründet wurde, aus deren Beiträgen dann das Kinder- und Erziehungsgeld gezahlt wird, ändert nichts daran, dass da, wo es keine Nachfolgegeneration gibt, keine Renten gezahlt werden können, woraus klar wird, dass die B-Alten, also jene Rentner, die nichts zur Bestandserhaltung beigetragen haben, mit ihren Rentenbeiträgen alleine kein Anrecht auf die volle Rente erworben haben können.

Setzt man den Aufwand für die Kindererziehung und den Aufwand für den Rentenbeitrag als in etwa gleich hoch an, ergeben sich  folgende Korrekturen bei der Rente:

Personen, die an Zeugung und Aufzucht von zwei oder mehr Kindern beteiligt waren, erhalten die volle Rente.

Die Beteiligung an einem Kind ergibt noch 75 % der vollen Rente, ist eine Person an keinem Kind als Vater oder Mutter beteiligt, erhält sie lediglich 50 % der vollen Rente.

Ab der Beteiligung an einem dritten Kind entfällt für die Beteiligten der Arbeitnehmerbeitrag zur Rentenversicherung.

Kinderlosigkeit wird damit zum durchaus gerechtfertigten Risiko für den Lebensabend.

Erst die zur Bestandserhaltung sinnvolle 2-Kinder-Familie ermöglicht die volle Rente – und das aus Sicht der momentanen demografischen Situation durchaus wünschenswerte dritte Kind entlastet die Familie durch den Wegfall des Rentenbeitrags erheblich.

Argumente, die ernsthaft  gegen eine solche Regelung vorgebracht werden könnten, sind meines Erachtens auf ganz wenige Einzel- und Ausnahmefälle beschränkt – oder entpuppen sich als kaum verhohlener Anspruch auf eine parasitäre Lebensweise.

Dieser Aspekt löst das Problem der Rentenfinanzierung jedoch nur soweit, als ein bisher vernachlässigter Gerechtigkeitsaspekt Berücksichtigung findet.

 

Der blinde Fleck im Wirtschaftsrecht

Das Schrumpfen des Anteils der gutverdienenden Jungen in der Gesellschaft hat ja nicht nur fortpflanzungstechnische Ursachen, sondern eben auch wirtschaftliche. Wo der Bedarf an Arbeitskräften – gemessen am BIP – permanent sinkt, weil der Produktivitätsfortschritt das Nachfragewachstum übertrifft, sind sowohl Arbeitslosigkeit als auch ein allgemeines Absinken des Lohnniveaus die vermeintlich unausweichliche Folge.

Wir alle wissen, dass sämtliche – sinnvollen! (das bestreitet niemand) – Maßnahmen zur Rationalisierung und Automatisierung nur ein Ziel haben, nämlich die Rendite des im Unternehmen eingesetzten Kapitals zu verbessern.

Dass dies grundsätzlich und in letzter Konsequenz ausschließlich über die Senkung der Lohnkosten erfolgt, während die Preise hochgehalten oder zumindest nicht in gleichem Ausmaß gesenkt werden, kann niemand, der noch ernst genommen werden will, ernsthaft bestreiten.

Wo eine demokratisch verfasste Volkswirtschaft primär danach strebt, die Enfaltung der wirtschaftlichen Potentiale des Volkes zu ermöglichen und so den Wohlstand des gesamten Volkes zu mehren, muss eine Entwicklung, bei der immer größere Teile der Bevölkerung von der Teilhabe am Erfolg ausgeschlossen werden, erkannt und beendet werden.

Geschieht dies nicht, handelt es sich weder um eine Demokratie noch um eine Republik, sondern um eine Despotie des Kapitals, in der die Freiheit kein Menschenrecht ist, sondern bloß noch hochpreisige Ware.

Da das Management gewinnorientierter Unternehmen von sich aus niemals auf die Idee käme, Maßnahmen der Gewilnnoptimierung zu unterlassen, sondern u.U. sogar von den Anteilseignern auf Schadensersatz verklagt werden kann, wenn es gegen deren Profitinteressen verstößt,

da zudem die Gewerkschaften, als die eigentlichen Antagonisten der Arbeitgeber längst zu schwach geworden sind, um sich für gerechte Teilhabe der Beschäftigten noch wirksam einsetzen zu können,

ist es in der Demokratie die Aufgabe des Gesetzgebers, den notwendigen Ausgleich der Interessen durchzusetzen.

Ein Gesetzgeber, dem selbst diese wichtigste Aufgabe im demokratisch verfassten Staat, nämlich zur Wahrung des inneren Friedens einen tragfähigen Ausgleich der Interessen herzustellen, nicht mehr gelingt, hat sich, obwohl noch amtierend, schon für überflüssig erklärt.

Und sage keiner, so etwas sei doch gar nicht möglich, die Gesetze des Marktes ließen das nicht zu. Das ist nur Feigheit davor, sich einer kleinen Gruppe sehr reicher und sehr mächtiger Menschen entgegenzustellen und eventuell deren Wohlwollen zu verlieren.

Die Lösung ist vom Prinzip her sehr einfach und sie kann im Zuge der Ermittlung der fälligen Einkommens- bzw. Körperschaftssteuer der Arbeitgeber von den Finanzämtern mit nicht erwähnenswertem zusätzlichem Aufwand umgesetzt werden.

Das Prinzip lautet:

Der Personalkostenanteil an der Wertschöpfung darf den Mittelwert der letzten drei Jahre nicht unterschreiten.

Wo das nicht gelingt, werden entsprechende Ausgleichszahlungen an die staatlichen Transfersysteme fällig.

Ein schöneres Konzept für eine „Maschinensteuer“ oder „Produktivitätsabgabe“ ist  mir bisher noch nicht begegnet.

Selbstverständlich muss dieses Prinzip in vielen Details so ausformuliert werden, dass die unvermeidlichen Hintertürchen so klein wie irgend möglich geraten, sicherlich müssen zum Einführungstermin besondere Übergangsregelungen getroffen werden, und für alles, was da zu regeln wäre, habe ich schon ziemlich konkrete Vorstellungen, doch diese Arbeit am Detail macht wiederum erst dann Sinn, wenn das Prinzip selbst verstanden und  für gut und nützlich erkannt worden ist.

Der wesentliche Vorteil liegt aus meiner Sicht darin, dass damit zunächst einmal die Einnahmeseite der Rentenversicherung kurz- und mittelfristig auf dem derzeitigen Niveau stabilsiert werden könnte, ohne dass an den Beitragssätzen gedreht werden müsste, weil die von den Arbeitgebern verursachten Veränderungen der Basis (Arbeitsplatzabbau, Lohnkürzungen, etc.) durch Ausgleichszahlungen kompensiert werden müssen, die erst  über den Zeitraum von drei Jahren allmählich wieder entfallen.

Ein weiterer Vorteil ist darin zu sehen, dass die Arbeitgeber eher bereit sein werden, die sowieso unvermeidbaren Kosten lieber ihren eigenen Mitarbeitern zukommen zu lassen, statt sie über eine Ausgleichsabgabe dem Staat zur Verteilung zu überlassen. Dies könnte durchaus zu einer Trendwende in der Reallohnentwicklung führen.

Das Hauptaugenmerk der Rentenpolitik könnte damit auf die Ausgabenseite gerichtet werden. Käme man dort zu dem Schluss – mit entsprechenden Übergangs- und Anrechnungsregelungen –  ab sofort nach den oben vorgestellten Regeln zur Berücksichtigung der Zahl der Kinder zu verfahren, ließe sich auch die Ausgabenseite ein Stück weit bändigen – und wer dem entgegenwirkt – der stärkt zwangsläufig die Einnahmenseite.

Wozu braucht es dann wohl noch eine von der UN verordnete Bestandserhaltungsmigration?