Merz, Friedrich, Schwaben-Streicher

Kabbalistisch durchgerechnet
verheißt Friedrich Merzs Name eine schöne Harmonie, ja geradezu Ausgewogenheit, denn sowohl der Vorname als auch der Familienname ergeben je die identischen Summenbilder. Da gibt er sich, streng kabbalistisch betrachtet, im familiären Umgang und im Freundeskreis nach außen hin schon gerne so abenteuerlustig und draufgängerisch, wie er das zu Zeiten seines frühen politischen Wirkens (das Moped!) auch öffentlich erzählt hat – und, wie durch ein Wunder, strahlt er das gleiche, fast leichtsinnige Draufgängertum auch im beruflichen und politischen Umfeld aus.

So ist er aber nicht – rein kabbalistisch betrachtet.

Merz, Friedrich, hat nämlich einen Traum. Er wär‘ so gerne kreativ, er wär so schrecklich gerne kreativ, aber das ist und bleibt eine Sehnsucht, der er gelegentlich nachgekommen zu sein glaubt, zum Beispiel, wenn ihm sein Kreativitäts-Organ einflüstert, die Steuererklärung auf einem Bierdeckel, das! sei der Gipfel der Kreativität.

Wer ihn näher kennt, privat, wie beruflich, weiß, dass er ein Organisator ist, das kann er recht gut, organisieren, delegieren, kontrollieren, Pläne schmieden, Leute nach seiner Pfeife tanzen lassen. Da ist er dann auf einmal gar nicht mehr der Halbstarke auf dem Moped, der – was kostet die Welt – mit 25 km/h über den Dorfplatz donnert. Da ist er auch nicht der kreative Kopf, der vor tausend Ideen nicht weiß, wo anfangen. Da ist er stockkonservativ – rein kabbalistisch gesehen.

Doch wenn es ihm um sich selbst geht, wenn er weder nur Friedrich, noch nur Merz ist, sondern der ganze „Friedrich Merz“, da sehnt er sich danach, ein seriöser, ehrenwerter Mann zu sein, einer, von dem man guten Gewissens ein Gebrauchtauto kaufen würde, und weil er dies aber – rein kabbalistisch betrachtet – nicht ist, gerät er oft ins Grübeln, vertieft sich wissenschaftliche Schriften, gelegentlich auch in mythische Geheimlehren, fragt sich schon auch einmal nach dem Sinn des Lebens und ist dann – ganz tief innen drin – das ganze Gegenteil, von dem, was er nach außen zeigt, nämlich schüchtern, introvertiert, ja ängstlich darauf bedacht, nicht belächelt zu werden. Und wenn ihn das dann wieder einmal so richtig schwer belastet, und er fürchtet, trotz aller Verstellung und zur Schau getragener Selbstsicherheit doch irgendwie gerade nicht ganz ernst genommen zu werden, dann neigt er zu cholerischen Ausbrüchen, da kann er sein – rein kabbalistisch gesehen – wie der Stier, der mit gesenkten Hörnern in den Weidezaun kracht, oder wie Jumbo, der Elefant, der mit dem Kopf durch die Wand will.

Im Augenblick hat er es mit all seinem stürmischen Temperament auf die AfD abgesehen. Die will er halbieren, als sei er – wiewohl im Sauerland geboren – jener „Schwabenstreiche-Ritter“, von dem schon Ludwig Uhland dichtete: „Sah man zur Rechten, wie zur Linken, einen halben Meuthen herniedersinken.“

Wie er’s machen will, hat er noch nicht verraten, nur dass er’s machen will und könnte, wenn man ihn denn unter Merkel zum Parteivorsitzenden wählen würde, das verkündet er und ist dabei ganz und gar der Robin Hood der Armen (Mit knapp um die 20% – ohne CSU – das ist schon Armut, wenn nicht gar armselig.), denen er nicht dreißig, nicht vierzig, nein 50 Prozent plus X verspricht, so wie sintemalen Honecker, der die Verpflegung der NVA rühmte: Nicht ein, nicht zwei, nicht drei, nein! Vierfruchtmarmelade bekommen unsere Soldaten aufs Frühstücksbrot.

Wenn ich nachrechne, und mit wohlwollenden 22 Prozent für die CDU beginne, eine halbe AfD, also sagen wir 7 Prozent, dazuzähle, dann ist die CDU immer noch nicht auf 30. Von der SPD ist nichts mehr zu holen, die ist am Existenzminimum, der FDP kann er nichts abnehmen, die bräuchte er als Koalitionspartner – und wo die Grünenwähler hingehen, wenn der Habeck-Hype vorbei ist, das wissen die Götter, sehr wahrscheinlich aber werden sie nicht dahin gehen, wo Blackrock seinen breiten ökologischen Fußabruck hinzusetzen gedenkt.

Vermutlich will Merz aber nur sensibilisieren. Er ist schließlich der Überzeugung, die CDU habe noch nicht begriffen, welche Gefahr von der AfD ausgeht.

Ein echtes Schlitzohr. Sagt er doch auf eine sehr verschlüsselte Weise, dass die AfD gefährlich sei, so, dass man meinen könnte, gefährlich für Deutschland, Europa, die Welt.
Doch das meint er gar nicht. Er sieht in der AfD eine Gefahr für die CDU – Horizont Ende.

Ob er den Mut aufbringen wird, sollte er denn auf den Schild der CDU gehoben werden, die CDU wieder zu einer konservativen Partei zu machen, was ihr sicherlich mehr Zustimmung bringen würde, oder ob er wirklich glaubt, durch noch mehr Verleugnung ehemaliger christdemokratischer Werte Munition für seinen demokratischen Feldzug (Schlammschlacht) gegen die AfD zu gewinnen, das ist bisher nicht zu erkennen.

Es ist auch egal.

Er wird es nicht. Ich kenne die Gepflogenheiten der CDU nicht, wenn es darum geht unter mehreren Kandidaten einen Vorsitzenden zu wählen – wer kennt die schon? – doch ich tippe darauf, dass Annegret Kram-Karrenbauer nach dem Stechen im dritten Wahlgang mit knappest möglicher Mehrheit das Rennen um die Gunst der 1001 von der „Scheherezade von der Saar“ betörten Delegierten gewinnen wird.

Das ist Kontinuität, denn AKK wird nichts anders machen als die Große Notgelandete selbst, und wenn Merkel eines Tages nicht mehr Bundeskanzler sein wird, wird auch AKK nicht mehr den Parteivorsitz innehaben.

Es gibt viel zu tun. Warten wir’s ab.