Kurs auf die Wirtschaftskrise

Nikolaus Piper werkelt immer noch bei der Süddeutschen im Wirtschaftsressort. Sein Auftauchen bei der SZ war vor langer Zeit für mich ausschlaggebend dafür, mein SZ-Abo zu kündigen.

Nun verweist die SZ, in Kommentierung der jünsten, gar nicht rosigen IWF-Prognose zur Weltwirtschaft, auf einen Piper-Artikel aus dem Februar 2019, in dem er sich darüber ausgelassen hat, dass solche Prognosen oft falsch seien, und: dass Deutschland knapp einer Rezession entgangen sei.

Sein heute neu ins Blatt gehobener Optimismus, es werde 2019 nicht zu einer Rezession kommen, beruht auf der Annahme, dass die GroKo in diesem Jahr einen „Konjunktur-Impuls“ im Umfang von 24 Mrd. Euro lostreten und in die Taschen der privaten Haushalte lenken werde. Das wären ungefähr 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung des Jahres 2018.

Allerdings sollte davon ausgegangen werden, dass diese 0,7 Prozent in den Wachstumsprognosen bereits  eingepreist sind, und die sagen nun halt mal gerade noch ein Plus von 0,8 Prozent voraus. Klipp und klar bedeutet das: Ohne die Verbesserungen beim Kindergeld und bei den Sozialversicherungen läge das „offiziell vermutete“ Wachstum heute schon bei gerade noch hoffnungsvollen 0,1 Prozent.

Bayer wird in Deutschland 4.500 Stellen abbauen.
SAP wird in Deutschland bis zu 1.200 Stellen abbauen.
VW ist noch dabei in Deutschland 23.000 Stellen abzubauen (bis 2020) und hat zusätzliche 7.000 Stellenstreichungen angekündigt.
BMW will „mehrere tausend“ Stellen streichen.
Ford wird in Deutschland 5.000 Stellen streichen.
RWE will „weltweit“ wegen des deutschen Kohleausstiegs über 10.000 Stellen streichen.
OPEL baut 2.000 Stellen im Entwicklungszentrum ab.
Audi will bis zu 13.500 Stellen abbauen
Daimler will die Kosten senken und wird Stellen abbauen.
SIEMENS ist dabei, 2.900 Stellen in Deutschland abzubauen.
Gerry Weber baut 500 Stellen ab.
SENVION, Windanlagenbauer hat Insolvenz angemeldet.
Die  Deutsche R+S, Gebäudereinigung, hat Insolvenz angemeldet.
Die Germania, Fluggesellschaft, ist pleite.

Die Aufzählung der Horrormeldungen im deutschen Arbeitsmarkt aus den letzten Monaten ist keineswegs vollständig, doch die Zahlen sprechen für sich.
Eine einfache Addition ist zwar nicht möglich, doch unter Berücksichtigung der bei VW bereits erledigten Arbeitsplatzvernichtung einerseits und andererseits dem zwangsläufig folgenden Stellenabbau bei den Zulieferern und den weiteren Stellenstreichungen im Einzelhandel, die sich gar nicht vermeiden lassen, stehen im Augenblick mindestens 100.000 Jobs vor dem baldigen Aus.

Der von Donald Trump ausgelöste und immer noch weiter verschärfte Handelskrieg, die Wachstumsschwäche Chinas, die leichtfertig von der EU angezettelten BREXIT-Verluste, die nicht zu unterschätzenden Probleme der Deutschen Bank, die CO2- und NOx- und Feinstaub-Hysterie, die anhaltende Wirtschaftsschwäche der EU-Südländer, sowie – last, but not least – die Planlosigkeit der Bundesregierung, bieten ausreichend viele Anhaltspunkte dafür, dass Ende des Jahres eine weitaus höhere Zahl als die schon jetzt bekannten 100.000 Stellenstreichungen festzustellen sein wird.

Das ist keine Schwarzmalerei, es ist immer noch ein optimistisches Szenario.

Darin ist nicht berücksichtigt, dass die Lust der Deutschen, auf die Straße zu gehen, um für die Klimarettung, bzw. gegen den Mietenwahnsinn zu protestieren, stark gewachsen ist. Gerade in den Ballungsräumen fehlt ja nur noch ein Funke, um auch in Deutschland das bisher Unvorstellbare, nämlich den Generalstreik, auszulösen.

Darin ist nicht berücksichtigt, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis der europäische Stromverbund in den ganz großen Blackout mündet, weil es egal ist, wie viele Solaranlagen  und wie viele Windräder installiert sind, weil zehntausend Windräder und zwanzigtausend Hektar Solarzellen bei Flaute in der Nacht eben zusammen auch nicht mehr Strom liefern als kein einziges Windrad und kein einziger Quadratmeter Solarpanel. Schon heute sind wir davon abhängig, gigantische Mengen Strom aus dem Ausland (Frankreich, Tschechien, Österreicht) importieren zu können, wenn sich abends der Wind legt und die Sonne untergeht.

Dabei ist nicht berücksichtigt, dass die Risiken in der Banken- und Finanzszene schon wieder das 2008er Ausmaß erreicht, ja überschritten haben, und dass wir in Deutschland auf einer voll ausgebildeten Immobilienblase sitzen, die sich auch durch (welch ein Wahnwitz!) die jetzt geforderte „Enteignung“ (die ja keine sein wird, sondern ein Rückkauf der einst verramschten öffentlichen Wohnungen  zum Marktpreis) nicht beherrschen lässt.

Dabei ist nicht berücksichtigt, dass sich in Griechenland gerade ein neuer Versuch abzeichnet, die Wiedereröffnung der Balkanroute zu erzwingen. Die sogenannten „Konvois der Hoffnung“, ausgelöst durch die gezielte Falschinformation, die Grenzen seien wieder offen, formieren sich in Bosnien-Herzogewina (5.000), in Serbien (6.000) , in Griechenland (70.000) und im Nahen Osten (noch viel mehr) zu neuen Trecks, die alle nach Deutschland wollen.

Dabei ist nicht berücksichtigt, dass der Ausgang der EU-Wahlen die EU vor eine Zerreißprobe stellen könnte, wobei Deutschland – ohne die Stimmen der Brexit-Briten – gegenüber den Forderungen der Südländer keine Sperrminorität mehr organisieren kann.

Deutschland sei knapp einer Rezession entgangen, dieser Spruch ist nicht mehr als ein verzagtes Pfeifen im Walde und erinnert an die Phrase: „Der Endsieg ist nahe!“

Wenn die Abwärtsspirale noch gebremst werden soll, müssen jetzt auf allen Gebieten der Politik die Weichen neu gestellt werden. Die Ausrede, die Welt um uns herum habe sich geändert, verschweigt, dass „wir“ diese Änderungen (Globalisierung) selbst mit angetrieben, sie auch für Deutschland zugelassen (Finanzmarktderegulierung) – und unser Land (Infrastruktur, Sozialsysteme, Bildung) darüber haben verrotten lassen.

Dieser GroKo fehlt es dazu jedoch an allem.

Keine Visionen, keine Ideen, kein Plan, kein Mut, keine Geschlossenheit.

Und den Grünen, als größter Oppositionspartei fehlt es zwar nicht an Visionen und am Mut, aber am Augenmaß und am Realitätsbewusstsein.

 

Von Heinrich Heine, der ja nicht nur „Denk ich an Deutschland in der Nacht“ gereimt hat, stammt auch der folgende Vers aus seinem Gedicht „An den Nachtwächter“:

Du fragst mich, wie es uns hier ergeht?
Hier ist es still, kein Windchen weht,
Die Wetterfahnen sind sehr verlegen,
Sie wissen nicht, wohin sich bewegen…

Ja, so fühlt sie sich an, die Ruhe vor dem Sturm.