Kevin Kühnert – die Weisheit des Brahmanen

Friedrich Rückert, weithin unbekannter Schriftsteller, hat sich mit der umfassenden Übertragung nah- und fernöstlcher Lyrik ins Deutsche jede erdenkliche Mühe gegeben und sich akribisch an den Vorlagen abgearbeitet, bis er sein Hauptwerk, „Die Weisheit des Brahmanen“, für veröffentlichungsreif hielt. Es ist auch heute noch Quelle der Inspiration und der Erkenntnis, doch leider überfordert es die Aufmerksamkeitsspanne der auf Kurznachrichten geeichten Mitbürger, so dass man lieber die Weisheiten des Kevin Kühnert goutiert, die – kurz und unausgegoren – den Himmel auf Erden verheißen.

Kühnert ist voll auf dem gerade angesagten Verstaatlichungstrip und macht bei dessen Anfängen nicht halt. Er will nicht nur die Wohnungskonzerne enteignen, was nicht nur umstritten, sondern in der Umsetzung auch mit eher unüberwindlichen, denn lösbaren Problemen verbunden ist, sondern keinem Menschen in seinem Machtbereich mehr Wohnraum zugestehen, als dieser selbst zu nutzen in der Lage ist, denn es sei „kein legitimes Geschäftsmodell, mit dem Wohnraum anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.“

Ein Satz, so dumm wie ein Pfund Kieselsteine.

Schlicht und einfach, weil „Wohnraum“ in diesem Satz nur stellvertretend für alles andere steht, womit Menschen ihren Lebensunterhalt verdienen. Der Acker und der Trecker des Bauern? Ist es ein legitimes Geschäftsmodell, mit dem Hunger anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten? Gibt es überhaupt irgendein Gebiet des Wirtschaftens, eine Branche, die legitim ihren Lebensunterhalt damit verdient, den Bedürfnissen anderer Menschen zu ihrer Befriedigung zu verhelfen?

Und die Vermutung ist richtig. Kevin will „kollektivieren“. Was Kollektivierung bedeuten kann, wissen die älteren Ossis sicherlich noch sehr gut. Kollektivierung heißt zunächst einmal „Enteignung“, und dass das Kollektiv, dem das Eigentum zufällt, nur unter staatlicher Aufsicht arbeiten darf, selbst wenn die Enteignung nicht als Verstaatlichung bezeichnet wird, versteht sich in einer Volkswirtschaft der Kollektive von selbst.

Von daher will Kühner auch BMW kollektivieren. Und wenn er BMW kollektivieren will, dann wird  er zweifellos auch Daimler und VW, Siemens und Thyssen, Eon und EnBw, die Werften, die Maschinenbauer, die Landwirte und Winzer kollektivieren müssen. Denn: „Ohne Kollektivierung ist der Kapitalismus nicht zu überwinden!“, das hat Kühnert wohl irgendwo gelesen, ob bei Karl May oder Karl Marx sei dabei noch dahingestellt, doch sicher nicht bei Friedrich Rückert.

Ob er auch Amazon kollektivieren will, oder Shell und BP, Nestlé und Coca Cola?

Sicherlich, der Kapitalismus ist die Perversion der Idee der leistungsgerechten Teilhabe, weil er dem Vermögen alleine eine Leistung zurechnet und diese nicht existente Leistung honoriert und sogar – hierzulande – steuerlich besser behandelt als den Arbeitslohn derer, die eine gute Leistung erbringen und dafür einen Lohn erhalten, der die Freibeträge ein kleines Stück weit überschreitet.

Aber man kann deshalb doch nicht das Prinzip der leistungsgerechten Teilhabe über Bord werfen und die Verantwortung für die Wirtschaft in die Hände von Kollektiven legen, deren Funktionäre erfahrungsgemäß allesamt jegliches Risiko und jegliche Verantwortung scheuen und auch nach 40 Jahren DDR auf dem Sektor des Automobilbaus über den Trabant und den Wartburg nicht hinausgekommen sind.

Hätten wir nach dem Krieg, Kevin ist noch viel zu jung dafür, um das nachzuvollziehen, den Wohnungsbau in der BRD den Kollektiven überlassen, woher hätten sie das Geld nehmen sollen, für die Investitionsphase, für die lange Bewirtschaftsungsphase, bis endlich zu kollektivierten Mieten ohne Ertrag, vielleicht einmal die Amortisation eingetreten wäre? Wenn überhaupt, stünden von Kiel bis Garmisch heute marode Plattenbauten in der Landschaft.

Kein Arbeiter in den Kollektiven hätte je genug ansparen können, um sich die eigene Wohnung leisten zu können.

Die Einhegung des Kapitalismus muss durch den Staat auf dem Markt erfolgen. Gelingt es dem Staat, in ausreichender Zahl und attraktiver Qualität Wohnraum anzubieten, gibt es auch auf dem freien Wohnungsmarkt keine Mietpreisexplosion. Immobilien sind dann ein Geschäftmodell wie Frisör oder Buchhändler und dienen der Erzielung des Lebensunterhalts aller damit Beschäftigten.

Und wo der Staat auf dem Markt nicht antreten will, weil der Markt sowieso eher unter Überkapazitäten leidet, wie beim Automobilbau, dann kann er die nicht leistungadäquaten Gewinne schlicht durch die Besteuerungen der Eigentümerfamilien begrenzen und zum Wohl der Allgemeinheit verwenden, und er sollte vor allem Kapitalgesellschaften, deren Eigentümer von jeglicher Haftung für ihre Unternehmen freigestellt sind, als Gesellschaftsform verbieten und die Umwandlung in OHGs und Kommanditgesellschaften oder BGR-Gesellschaften vorschreiben. Wer von den Anteilseignern nicht in die Haftung gehen will, kann seinen Anteil in ein Darlehen umwandeln oder ihn sich auszahlen lassen. Die Rettung von Banken wäre nicht mehr erforderlich, wenn die Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen, das sie in guten Jahren als Gewinne abgezogen haben, dann haften müssten, wenn die Geschäfte schlechter laufen.

Doch selbst für diese, mit einigem guten Willen tatsächlich umsetzbaren Maßnahmen, wird sich keine parlamentarische Mehrheit finden lassen. Nicht heute, nicht morgen, und nicht im Jahre 2050.

Deshalb ist Kevins „Manifest“ nicht mehr als eine in der Badwanne blubbernd aufsteigende Luftblase. Nun ist sie raus und darf  im Winde verwehen.

Arme SPD.