Kafka ist ein Dreck dagegen

Vernunft, Realität und Logik vollständig auszublenden und stattdessen einen Albtraum in Super-Slow-Motion für wahr zu halten, das hat Franz Kafka seine Figuren durchleben und durchleiden lassen, und alle Welt glaubte, damit sei der Gipfel der Dystopie, die Fehlentwicklungen des menschlichen Geistes betreffend,  erreicht.

Womöglich aber war Kafka gar kein Schriftsteller im herkömmlichen Sinne, sondern eher ein Seher, wie Nostradamus oder der bayerische Hias, der zufällig zudem in der Lage war, das Gesehene in literarisch ansprechender Form zu Papier zu bringen. Wobei auch er, wie alle weit in die Zukunft Schauenden, ein Problem damit hatte, das ihm noch unbekannte Geschaute zu schildern, weil es die Begriffe und Worte  dafür noch gar nicht gab.

Dass sich einst fast ganz Europa in einem sich immer weiter von Grauen zu Grauen steigernden Albtraum gefangen sehen könnte, das mag Franz Kafka zwar gesehen haben, es niederzuschreiben wagte er jedoch offenbar nicht. Zu kühn und vor allem zu abwegig erschien ihm das Geschaute.

Zu seiner Zeit waren die Narren als solche noch namentlich bekannt und es war dafür gesorgt, dass die Narretei sich nicht ungehindert ausbreiten konnte. Man hielt die Narren auf Distanz, und wenn es sein musste, dann auch gar nicht zimperlich mit den Mitteln des unmittelbaren Zwanges.

Heute sind die Narren allgegenwärtig, schwätzen überall mit, stellen sich mit den Klugen und Verständigen auf eine Stufe und verlangen, dass ihre Narreteien ebenso ernst genommen werden, wie die Weisheit der Klugen und Verständigen, und das können sie sogar einklagen, weil es ihnen schon vorher gelungen war, ins Gesetz zu schreiben, dass jeglicher Widerspruch gegen ihre Narreteien, selbst wenn es sich dabei um vollständig bewiesene Fakten handelt, als ganz und gar fürchterliche und menschenrechtswidrige Diskriminierung mit Höchststrafen zu verfolgen sei.

Anders als die Bürger von Schilda, die sich dumm stellten, um auch einmal ihre Ruhe vor den Anfragen und Hilferufen aus aller Welt zu haben, versuchen die Massen der Narren heute,  sich als klug und intelligent darzustellen, indem sie es sich permanent gegenseitig bestätigen, was in Bezug auf die Masse des Volkes durchaus die gewünschte Wirkung zeigt, vor allem dann, wenn es darum geht, in demokratischen Wahlen jene Männer und Frauen zu bestimmen, die mit Wissen und Erfahrung klug und verständig die Politik bestimmen sollen.

Insofern darf es nicht verwundern, dass nach etlichen Jahren  der Verbots der Diskriminierung  närrischer Überzeugungen nicht nur reihenweise bestimmte Worte und Begriffe verboten wurden (z.B. Mohrenapotheke) , während andere ihrer Bedeutung beraubt wurden (z.B. Ehe), sondern eben auch ohne jeglichen Beweis Behauptungen aufgestellt wurden, aus denen wiederum Verhaltensnormen für ganze Völker hergeleitet wurden.

Als es den in Brüssel sitzenden EU-Bürokraten wieder einmal danach war, etwas für die Reinhaltung der Luft zu tun – wie es genau dazu gekommen ist, weiß man nicht – wurde der Vorschlag angenommen, für Stickstoffoxide im Freien sehr niedrige neue Grenzwerte festzulegen. Dass lange vorher auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse NOx-Grenzwerte für Innenräume festgelegt wurden, die um ein Vielfaches höhere Konzentration noch als gesundheitlich unbedenklich ansehen, wusste man da entweder nicht, oder wollte es nicht wissen.

Andere EU-Bürokraten haben bei anderer Gelegenheit festgelegt, welche Stoffe von Automobilen mit Verbrennungsmotoren mit den Verbrennungsgasen in welchen Mengen aus dem Auspuff in die Umwelt ausgestoßen werden dürfen. Auch diese Festlegung dürfte mehr willkürlich erfolgt sein, als wissenschaftlich begründet, doch auch daran Kritik zu üben, fällt unter das Diskriminierungsverbot.

Beides hätte keinerlei Folgen für irgendetwas haben müssen, hätten sich nicht die beteiligten Narren in ihrem Bemühen, sich intelligent zu stellen, permanent bestätigen müssen. So blieb es nicht aus, dass von reiner und gesunder Luft nur noch ausgegangen werden durfte, wenn die Schadstoffkonzentrationen auch überwacht würden, und damit man Schadstoffe in der Luft finden kann, muss man vorgehen, wie beim nächtens verlorenen Schlüssel, nämlich unter der Laterne suchen.

Es weiß wieder niemand, wie es zugegangen ist, auf jeden Fall war es gelungen, an einigen Messstellen tatsächlich Überschreitungen der äußerst niedrig angesetzten Grenzwerte festzustellen. Doch statt nun noch einmal zu überlegen, ob die Grenzwerte nicht doch viel zu eng angesetzt worden waren, oder ob die Messungen aufgrund der Anordnung und Ausrüstung der Messstellen nicht als vollkommen falsch und überhöht angesehen werden müssten, anstatt sich außerdem die Frage zu stellen, wo die Schadstoffe denn herkommen könnten,  die da gemessen werden, kam einer der Erleuchteten auf den brillanten Gedanken: Alle Stickoxide in der Luft stammen aus den Abgasen von Pkws mit Dieselmotoren, weshalb für diese von den Städten Fahrverbote erlassen werden müssten.

Schnell hatte sich ein sich hauptsächlich mit Abmahnungen finanzierender Verein die Reinhaltung der Luft als neuen, lukrativen Geschäftszweck ausersehen und damit begonnen, Städte vor Gerichten zu verklagen, wobei die Richter – hier sind wir noch mit Kafka  konform – wegen des geltenden unvernünftigen Rechts nicht anders konnten als im kafkaesken Raum gefangen, wiederum selbst Urteile in Unvernunft zu erlassen.

Es stimmt zwar, dass viele Diesel-Pkws zunächst mehr NOx ausgestoßen haben, als zulässig, doch die Automobilindustrie hat diesen Mangel weitestgehend behoben. 90 Prozent der Diesel, so heißt es, hätten durch Software-Updates, z.T. auch durch Hardwareaustausch, inzwischen keine Mühe mehr, die für sie festgelegten Grenzwerte einzuhalten.

Um vor dem Finale Furioso den Zwischenstand festzuhalten:

Grenzwerte für die Luft, die viel zu niedrig angesetzt wurden, und Grenzwerte für Automobile, die wohl auch absichtlich zu niedrig angesetzt waren, führten zu den zu erwartenden Überschreitungen von Grenzwerten an besonders verkehrsreichen Straßen. Wir wissen, dass eine einzige am Adventskranz entzündete Kerze die NOx-Konzentration weit, weit höher ansteigen lässt als es nun im Freien noch zulässig ist, verbieten aber weder Kerzen noch Schiffsdiesel, weder die Dreckschleudern am Himmel, noch vollkommen überlfüssige so genannte Motor-Sport-Veranstaltungen, sondern wir verbieten es den sehr sauberen Dieselautomobilen, auf bestimmten Strecken zu fahren.

Es gibt glücklicherweise immer noch kleine Inseln der Vernunft, auch in der Politik, und es nimmt nicht Wunder, dass diese insbesondere im konservativ-narrophoben Bayern zu finden sind.

Dort – und jetzt dürfte Kafka gleich mit mehr als 10.000 Umdrehungen pro Minute im Grab zu rotieren beginnen  – hat der schon erwähnte klagende Abmahnverein nun verlangt, dass die zuständige Ministerin, die sich dem Dieselfahrverbotsirrsinn in den Weg stellte, in Zwangshaft zu nehmen sei.

Das alleine übertrifft schon alles, was Captain Kirk auf der Enterprise erlebte, doch es geht noch weiter. Das Verwaltungsgericht in München, das sich hier klipp und klar auf die Seite der bayerischen Staatsregierung hätte schlagen und die Klage abweisen können, tut das nicht.

Dieses Verwaltungsgericht stellt zwar fest, dass Zwangshaft für Regierungsmitglieder im bayerischen Recht nicht vorgesehen ist, aber statt es dabei bewenden zu lassen, wendet sich das bayerische Verwaltungsgericht direkt an den Europäischen Gerichtshof (der sich an gar kein Recht irgendeines EU-Staates zu halten braucht, sondern im Prinzip nur eigenes Recht produziert, eine Funktion, der kein normaler EU-Bürger irgendwann zugestimmt hat),

an diesen EuGH also  wendet sich das bayerische Verwaltungsgericht, mit der Frage,

ob es ihm erlaubt sei, bayerische Amtsträger
in Beugehaft zu nehmen.

Wenn es nach mir ginge, würde ich die EU-Kommission, das EU-Parlament und den bayerischen Verwaltungsgerichtshof in Beugehaft nehmen, bis die Bereitschaft zu erkennen ist, sich Kafkas Welt nicht länger zum Vorbild ihres Handelns zu nehmen, sondern sich stattdessen auf Kants  kategorischen  Imperativ zu besinnen.

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Habe ich Ihnen mit diesem Text aus der Seele gesprochen?

Dann werden Sie sicherlich an diesen beiden Büchern Ihre helle Freude haben:

 

Sachlich nüchtern, aber mit sehr spitzer Feder spießt Florian Stumfall den um sich greifenden Schwachsinn auf und zeigt uns, wie sich die Politik des brauchbaren Schwachsinns bedient und davon profitiert.

Wunderbar versonnen und verspielt, aber nicht weniger wuchtig in seiner Kritik, geht Teer Sandmann das Thema an und zeigt vor allem immer wieder den Gegensatz zwischen der verdrängten Welt der Vernunft und Harmonie und der „modernen“ Welt der Dissonanz und Narretei.

 

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