Ein Maulkorb für den Handballerer

Stefan Kretzschmar, im Lande des immerwährenden Fußballs weithin unbekannt, doch wegen eines derzeit laufenden handballerischen Großereignisses im Augenblick interessant, meinte, man dürfe in Deutschland nur noch meinen, was auch der Mainstream meint.

„Das darf man hier schon lange nicht mehr sagen“, war lange Zeit der geflügelte Spruch des Ex-TV-Moderators Percy Hoven, alias Dr. Alfons Proebstl, bis er enttarnt wurde und sich seitdem der  eigenen Überzeugung unterworfen hat und auch nichts mehr sagt.

Bleiben wir bei Kretzschmar. Der sagte in diesem Interview, dass man als Sportler keine kritische Meinung mehr äußern dürfe, ohne sofort Repressalien seitens des Arbeitgebers oder der Werbepartner erleiden zu müssen. Nur wer eine mainstreamkonforme Meinung äußert, genieße Meinungsfreiheit.

Rumms, da waren die angerosteten Sturmgeschütze der Demokratie aber blitzschnell dabei, diesen Ungeist mit medialem Trommelfeuer einzudecken.

Beim Tagesspiegel hat man überhaupt nichts verstanden und erklärt – in meinen Worten – es gäbe überhaupt kein Problem mit der Meinungsfreiheit, denn Christian Streich, Trainer beim SC Freiburg, träte ja immer wieder öffentlich für Toleranz und gegen Rassismus ein.

Setzen! Sechs!

BILD fragt rhetorisch: „Darf man wirklich nicht mehr alles sagen?“, und holt sich Experten für die Beantwortung dieser Frage. Seehofers rechte Hand, Staatssekretär Stephan Mayer, sagt bei, in und für BILD, es gäbe schon eine stärkere Tendenz, andere Meinungen nicht zu akzeptieren. Vom Deutschen Handball-Bund kommt Bob Hanning in die Zeitung mit den großen Buchstaben und streitet rundweg alles ab.

Den Vogel aber schießt Herr Kubicki von der FDP ab. Kretzschmars Meinung sei absurd, sagt er, denn wenn einer so etwas äußern kann, bewiese er doch selbst, dass alles gesagt werden darf.

Holla! Offenbar ist es für Herrn Kubicki schon an der Grenze des Sagbaren, zu sagen, dass man nicht mehr alles sagen darf, ohne durch das Raster der Political Correctness zu fallen und im Zweifelsfall ein Hakenkreuz auf die Stirn gebrannt zu bekommen.

Wofür, Herr Kubicki, brauchen wir in Deutschland eine private Meinungspolizei, die unterhalb der Schwelle der gesetzlich verankerten Grenzen der Meinungsfreiheit und ohne Einschaltung der Justiz darüber befinden muss, was noch gesagt werden darf und was nicht? Gibt es in Deutschland etwa kein Netzwerkdurchsetzungsgesetz, gibt es in Deutschland etwa keine Gewaltakte der Antifa gegen Menschen, die eine „abweichende Meinung“ vertreten?

In BILD kommt zuletzt Eberhard Gienger zu Wort, der im Sportausschuss des Deutschen Bundestages sitzt. Wenn die Fakten und Argumente stimmen, so Gienger, könne sich jeder Sportler sich auch kritisch zu politischen Themen äußern. Meint er mit Fakten und Argumenten das geflügelte Merkel-Wort: „Nun sind sie halt mal da?“ Aber Gienger mahnt auch, dass man sich sicherlich nicht zu jedem Thema äußern müsse, weil man sonst instrumentalisiert werden könne. Na prima.

Ich komme noch mal auf Kubicki zu sprechen. Der  hat nämlich noch einen Satz rausgehauen, den man sich auf der Zunge zergehen lassen muss. Man könnte diesen Satz als ein Lehrbeispiel für „Sophismus“ verwenden. Er sagt nämlich:

„Kretzschmar beschreibt keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, sondern Feigheit“, denn zur Meinungsfreiheit gehöre auch der Mut zur Meinungsäußerung. Damit betritt er das dünne Eis, auf das sich begibt, wer hierzulande seine Meinung äußert. Man kann einbrechen, im dünnen Eis, und ggfs. ersaufen, aber das muss einem die Meinungsfreiheit wert sein. Wer sich nicht in Gefahr begibt, seiner Meinung  wegen Repressalien zu erleiden, ist einfach nur feige.

Damit leite ich Sie weiter zu einem gestern veröffentlichten Beitrag von Wilfried Kahrs zur Frage, wie es den Geschwistern Scholl (Sie wissen noch: Die weiße Rose. Flugblätter gegen Hitler und das Reich verteilt. Aufgeflogen. Hingerichtet) heute wohl erginge.

Kahrs schreibt ziemlich sarkastitsch und keineswegs zimperlich. Die Parallele die er zieht, mag von der geraden Linie der PC, auf der wir uns bewegen, noch ein Stück weit entfernt sein. Parallelen schneiden sich ja bekanntlich erst in der Unendlichkeit, aber man weiß ja nie, wie weit man von jenem Punkt noch entfernt ist. Plötzlich ist er da.

Wilfried Kahrs, „Die ‚Weiße Rose‘, Geschwister Scholl, heute bereits wieder ein Fall für den Staatsschutz“