Ein „Denk mal!“ errichten

Gedanken zum Jahreswechsel 2018/2019

 Ein  „Denk mal!“ errichten
Paukenschlag am Donnerstag No. 49 /2018  hier als PDF: Ein Denkmal errichten

Denkmäler, oder gerne auch Denkmale, wurden errichtet, um über Jahre, Jahrzehnte, ja Jahrhunderte an Ereignisse oder Personen zu erinnern, von denen wesentliche Impulse für die weitere Entwicklung ausgingen.

Das Denkmal ist immer zugleich auch Mahnmal, die Ermahnung, nicht zu vergessen und sich immer wieder zu vergegenwärtigen, aus welchen Ursprüngen sich von da an die Vergangenheit bis in unsere Gegenwart entwickelte.

Vor dem Hintergrund der vielen Denkmäler aus der Vergangenheit nimmt sich die Denkmalskultur in der seit 1949 und insbesondere in der seit 1989/90 bestehenden Bundesrepublik Deutschland recht bescheiden aus. Nach den in den ersten Nachkriegsjahren überall neu errichteten oder ergänzten Ehrenmalen für die Gefallenen der beiden Weltkriege ist im Westen nicht mehr viel gekommen – und im Osten ist so mancher Marx und Lenin vom Sockel gehoben worden.

Man hat Orte des Nationalsozialistischen Verbrechens konserviert und im Herzen der Hauptstadt ein ganzes Feld mit liegenden Stelen installiert, aber sonst ist nichts weiter geschehen, was den vorbeikommenden Menschen ein „Denk doch mal!“ zuraunen würde.

Willy Brandt steht in der Parteizentrale, sitzt auch leger im Stil moderner Innenstadtmöblierung in Nürnberg, gegenüber der HUK, auf einem Betonklotz, doch das war es schon so ziemlich. Helmut Kohls Kopf – der Rest  ist weg – ist vor dem Springer-Hochhaus in Berlin auf einen Sockel gesetzt worden.

Da raunt allerdings nichts dieses „Denk doch mal!“. Da ist in gefälliger Form das vorgeschriebene Budget für die Kunst am Bau ausgegeben worden. Mehr nicht.

In unseren Tagen ist die Begegnung mit der Realität, ob nun in Stein gehauen oder in Bronze gegossen, ob schneebedeckt, regennass, taubenbeschissen oder sonnenbestrahlt, allerdings längst nicht mehr das Mittel der Wahl.

Viele von uns nehmen die Außenwelt an Bildschirmen unterschiedlicher Größe sehr viel lieber wahr als im direkten Blickkontakt mit dem Original. Schon, weil man das Original nicht heranzoomen oder wegklicken kann, sicherlich aber auch, weil das vom Server heruntergeladene Abbild vom Urheber der Abbildung in einer künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Objekt so ins Licht oder ins Unrecht gesetzt wurde, wie es uns in der peinlich-analogen Realität erst recht nicht möglich ist.

Es wird viel darüber spekuliert, welche Folgen das Eintauchen der Spezies Mensch in virtuelle digitale Welten für das Selbstverständnis einerseits und die (Über-)Lebensfähigkeit andererseits  haben könnte.

Das Verschmelzen von Mensch und Maschine erscheint gar nicht mehr so fern. Arbeiter mit stählernen Exoskeletten bewegen mit Hilfe pneumatischer oder hydraulischer Systeme tonnenschwere Gegenstände, Netzhautnachbildungen aus lichtempfindlichen Schichten sind mit dem Sehnerv verwachsen und liefern erste Bilder, von der Qualität her zwar kaum besser als die ersten Schwarzweiß-Fotografien des Monsieur Daguerre aus den 1830er Jahren, aber es sind Bilder, die Blinde wenigstens wieder ein bisschen sehend machen. Das Implantieren von Herzschrittmachern, ja sogar von ganzen Kunstherzen ist klinischer Alltag. Künstliche Hüft- und Kniegelenke sind neben Zahnprothesen und implantierten Kunstlinsen  weitere  Artikel aus dem Ersatzteilkatalog, derer sich bedienen kann, wem ein funktionierendes Gesundheitswesen und das nötige Geld zur Verfügung steht oder gestellt wird.

RFID-Chips, unter die Haut gepflanzt, sind bei größeren Nutztieren die Regel. Menschen haben allerdings auch damit begonnen, sich per Annäherung an einen RFID-Empfänger zu identifizieren, womit sich verschlossene Türen wie ein Sesam-öffne-Dich bewegen lassen und mit einer Handbewegung eine Rechnung beglichen werden kann.

Unsere Fortbewegung erfolgt überwiegend unter Nutzung von Maschinen, die nicht nur, wie einst die Pferde, von alleine heim-, sondern auch jedes beliebige Ziel, das wir versteckten Mikrofonen zuflüstern, zu finden in der Lage sind. Bald ganz ohne menschlichen Eingriff.

Menschheitsträume werden wahr. Wir überwinden Schritt für Schritt die uns von der Natur gesetzten Grenzen und gewinnen immer neue Fähigkeiten, die es uns sogar ermöglichen, aus tausenden von Kilometern Entfernung unsere Feinde auszuspähen und sie gegebenenfalls mit den Waffen der Drohne zu vernichten.

Zudem überwinden wir die Grenzen der uns gesetzten Lebenszeit. Viele Krankheiten, die früher unweigerlich zum Tode führten, können geheilt oder zumindest aufgehalten werden. Viele Verletzungen, die früher unweigerlich den Tod zur Folge hatten, können repariert oder zumindest durch künstliche Hilfsmittel so gelindert werden, dass sogar Unterschenkelamputierte mit großem Geschick an Wettläufen teilnehmen können.

Wer sich vernünftig ernähren kann und mit seinem Körper nur wenig Schindluder treibt, hat heute gute Aussichten, 90 Jahre und älter zu werden.

 

Es sind auf dieser Welt Zustände und Verhältnisse geschaffen worden, die einen großen Teil unseres alltäglichen Lebens für die Menschen von vor nur hundert Jahren als pure Science Fiction, Spinnereien, Unmöglichkeiten hätten erscheinen lassen.

In einer wahren Explosion der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Anwendungsmöglichkeiten wurde die Menschheit aus einer Welt des Offensichtlichen herausgerissen und in eine Welt des Unerklärlichen versetzt.

Wenn ich jetzt von mir spreche, dann im Grunde nur, um Sie zu animieren, sich einen Überblick über den Teil der Welt zu schaffen, den Sie noch erklären können.

Wenn ich auch selbst keine der modernen Programmiersprachen mehr beherrsche, habe ich doch die Grundzüge der Logik des Programmierens verinnerlicht. Wer mit maschinennahen Sprachen begonnen hat, also noch die Zeilen eines Assembler-Programmes syntaxrichtig zu füllen hatte, um dann COBOL zu lernen und danach auf dem C64 in Basic aktiv war, wer am Entwurf von Datenbanken mitgewirkt hat, weiß ungefähr noch, worauf es ankommt.

Hardwareseitig wird es schwieriger. Wie eine Festplatte funktioniert, das habe ich noch mitbekommen, wie ein Flash-Speicher funktioniert, was sich im Inneren eines USB-Sticks abspielt: Keine Ahnung. Auch die gesamte Hardware-Architektur vom Motherboard über Grafikkarten usw., das sind für mich nichts anderes als Bauklötze, die in der richtigen Reihenfolge zusammengestellt werden müssen. Eine alte Bildröhre habe ich noch verstanden. Wie die Pixel in LED-Bildschirmen angesteuert werden können, ist mir auf meinem Wissenstand unerklärlich.

Was Funkanwendungen betrifft, kann ich noch grob erläutern, auf welche Weise Signale codiert und dekodiert werden, habe von Röhren ausgehend und später auf Transistoren übertragen auch halbwegs eine Ahnung, auf welche Weise die Verstärkung des Empfangssignals erfolgt, bin aber in allen Fragen, die sich direkt auf die heute übliche Hochfrequenztechnik beziehen, schon wieder überfordert. Wie das Mobilfunknetz aufgebaut ist und funktioniert könnte ich auch noch ziemlich detailliert erklären.

Fragen der Teilchenphysik interessieren mich, aber nach welchem Prinzip ein Quantencomputer arbeiten soll, erschließt sich mir absolut nicht.

Den Geistesblitz Wernher von Brauns bezüglich der Raketengleichung konnte ich nachvollziehen als ich erstmals davon gelesen habe. Welche Techniken  jedoch erforderlich sind, damit hyperschallschnelle Raketen anfliegenden gegnerischen Abwehrraketen ausweichen und dennoch präzise das vorgesehene Ziel treffen können, ist mir ein Rätsel.

Die Computertomografie als bildgebendes Verfahren und die dafür erforderliche Rechenleistung  um zu 3-D-Modellen des Körperinneren zu gelangen, gehört bei mir zu jenen Dingen, deren Funktionsweise ich noch zu erahnen glaube, würde allerdings nicht den Mut aufbringen, dazu eine öffentliche Erklärung abzugeben.

Computergesteuerte Werkzeugmaschinen und ganze Roboterstraßen sind wieder einfachere Projekte, vielleicht sogar mit einem dominierenden Anteil feinmechanischer Künste.

Das Utah Data Center der NSA in Bluffdale in der Nähe von Salt Lake City übersteigt mein Vorstellungsvermögen jedoch wieder bei Weitem. Da sind nicht nur die gigantischen Zahlen zum Stromverbrauch (65 Megawatt) und zum Kühlwasserbedarf (270.000 Liter pro Stunde), es sind vor allem die Distanzen. Wo Server eine Fläche von 150.000 Quadratmetern belegen wird die Synchronisation schwierig. Mehr als Lichtgeschwindigkeit steht zwischen diesen Severn nicht zur Verfügung. Bei einer Taktung mit 3 Gigahertz hat ein Takt noch rund 10 Zentimeter Leitungslänge zur Verfügung. Jeder Meter Distanz wird zu einem Problem – es sei denn, die Architektur der gesamten Anlage ist auf eine für mich unerklärliche Weise optimiert.

Eine Mondlandung erscheint mir dagegen (theoretisch) wieder als einfache Aufgabe, vorausgesetzt, es sind keine Astronauten an Bord. Vermutlich hätte schon Galilei die Raketenbahn zumindest grob berechnen können.

Was den Bereich Chemie betrifft, habe ich grundsätzlich keine Ahnung, da ist auch vom Schulwissen nichts Nennenswertes mehr übrig.

Gentechnik, ja, ich weiß, ganz grob, was da manipuliert wird – aber fragen Sie mich nicht, wie. Wie funktioniert eine Genschere? Wie kann man ein Enzym dazu bringen, an einer ganz bestimmten  Stelle des Genoms ein Stück herauszuschneiden, wie fügt man Gensequenzen in ein bestehendes Genom ein? Nichts. Da fehlt es mir.

Künstliche Intelligenz? Ich bin weiterhin überzeugt, dass man bestimmte „mentale“ Fähigkeiten, wie das Erkennen von Gesichtern, oder die Beherrschung des Schachspiels oder die Vorhersage einer Schwangerschaft aufgrund der bei Amazon gespeicherten Daten einer Kundin nicht als Intelligenz bezeichnen kann, weil Intelligenz Bewusstsein und Willen voraussetzt. Was jedoch auf diesem Gebiet möglich ist, und das selbstfahrende Auto gehört da wieder zu den einfacheren Übungen, weil die Aufgabe durch eine endliche Zahl von Rahmenbedingungen definiert ist, das ist erstaunlich und für mich auch nicht mehr konkret nachvollziehbar.

Wo nun Politiker, die von der wissenschaftlich-technischen Entwicklung kaum mehr Ahnung haben als der Durchschnittsbürger, weshalb deren Zielsetzungen nur aus dem Kreis der zugelassenen Lobbyisten kommen können – und dies in der gebotenen Vereinfachung unter Verschweigen von Risiken für die Bevölkerung und unter Verschweigen der materiellen Interessen ihrer Auftraggeber, ist es – egal welche Partei gerade regiert – geradezu fahrlässig, unser aller Schicksal, letztlich das Schicksal der Welt, in die Hände solcher Dilettanten zu legen.

Denk mal!

Die ersten Reaktionen auf diesen Gedanken werden alle negativ und ablehnend ausfallen:

Wir haben doch keine anderen.
Wie soll das denn gehen?
Bis jetzt ist ja immer noch alles gutgegangen.
Nee, dafür hab ich keine Zeit!
Schön wär’s. Aber …

Das ist immer so. Der Mensch ist änderungsscheu und zieht das Gewohnte, auch wenn es noch so unbequem ist, dem Unbekannten vor. Von daher kommen immer erst alle Argumente, die man für eine solche Situation parat hat, sogar, wenn man noch nie darüber nachgedacht hat.

Man sollte sich damit nicht zufrieden geben. Da steckt noch sehr viel mehr im Raum zwischen den beiden Ohren. Um das herauszulocken, wurde unter anderem das Prinzip des Brainstormings entwickelt. Leider wird es meist dilettantisch oder vollkommen falsch angewendet und führt daher in der Regel zur Bestätigung bereits feststehender Absichten, aber nicht oder nur ganz selten zu wirklich neuen Ideen.

Denk mal! Das heißt auch: Nimm dir mal Zeit!

Kaum etwas ist wichtiger, als sich für eine Aufgabe die notwendige Zeit einzuräumen. Und wenn die Aufgabe groß ist, dann ist es nützlich und sinnvoll, sie in mehrere Teilaufgaben zu zerlegen, und sich dafür die notwendige Zeit einzuräumen.

Sich an den Küchentisch zu setzen, mit Block und Bleistift, und sich vorzunehmen, von jetzt an für die nächsten zwei Stunden über eine bestimmte Problemstellung nachzudenken: Das ist der erste Schritt zur Lösung!

Nach einer halben Stunde abzubrechen, weil es ja eh nichts bringt, ist die Gewähr dafür, wirklich nicht weiterzukommen.

Sich eine Zeit setzen, ist das eine. Diese Zeit wirklich sinnvoll nutzen zu wollen, ist das andere. Beides zusammen bringt den Erfolg. Sich selbst zu sagen: Das ist meine Zeit, und die will ich nutzen, um den Ursachen des Problems auf die Spur zu kommen, ist eine gute Motivation. Zudem strukturiert es die verfügbare Zeit. Alles andere ist entweder vorher oder nachher dran. Auch sich dessen bewusst zu werden, trägt dazu bei, frei zu werden, für das wirkliche Nachdenken.

Es gibt Menschen, die grundsätzlich anders gestrickt sind. Die haben urplötzlich eine Eingebung, eine Idee, vielleicht auch nur eine Fragestellung, und wenn es ihr Alltag erlaubt, dann bohren sie sich unmittelbar hinein, vergessen dabei alles um sich herum und kommen mit dem Kopf erst wieder in die Realität zurück, wenn sie zu einem „Punkt“ gelangt sind. Ob es schon der Schlusspunkt ist, oder nur ein Meilenstein auf dem Weg zur Lösung, ist dabei nicht so wichtig. Man sagt, solche Menschen gehen in den Flow. Das ist ein bewundernswerte Gabe, die jedoch mit dem vorher genannten Rezept, sich eine Aufgabe stellen und sich dafür Zeit einräumen, zumindest ein Stück weit nachgeahmt werden kann, möglicherweise aber tatsächlich ganz gewollt in diesen Flow führt.

 

Wir denken zu wenig.

99 Prozent der Interaktion mit unserer Umwelt ist reaktiv und in aller Regel nur reproduktiv. Die schöne neue Welt umgibt uns wie ein Garten Eden. Statt aber Äpfel vom Baum der Erkenntnis zu pflücken, halten wir uns an das Gebot und nähren uns ausschließlich von dem, was uns wohlfeil dargeboten wird.

Das Gute daran, wir müssen uns nicht anstrengen. Alles funktioniert auf eingeschliffenen Bahnen, und selbst der Rundum-sorglos Abenteuer-Urlaub verspricht uns ein Erlebnis, das aber keines ist, sondern eine geplante Abfolge von Inszenierungen, in denen wir uns ebenso sicher fühlen, wie bei der Fahrt auf dem Kinderkarussell.

Nicht die ersten Strahlen der Sonne oder das Krähen des Hahnes wecken uns am Morgen, sondern ein „Gerät“. Aus der Dusche kommt warmes Wasser. Die Kaffeemaschinen spuckt den Muntermacher aus. Der Fahrstuhl enthebt uns der Tatsache, den Höhenunterschied zwischen Wohnetage und Straße wahrnehmen zu müssen. Bus, Straßen- oder U-Bahn entheben uns der Notwendigkeit uns einen Weg suchen und bahnen zu müssen. Der Weg zum Arbeitsplatz ist immer der gleiche, das Kantinenessen auch, am Feierabend das Ganze rückwärts. Statt Kaffee jetzt eher das Feierabendbier. Couch und Glotze oder raus in die Kneipe? Beides unterscheidet sich kaum. Es ist das ewig Gleiche. Die gleichen Leute begrüßen uns am Bildschirm und die gleichen Leute treffen sich zur gleichen Zeit in der Kneipe. Was die Leute im Fernsehen sagen, wissen wir im Voraus, worüber die Bekannten in der Kneipe sprechen werden, wissen wir auch. Es ist das Eintauchen in die Mühelosigkeit des Gewohnten.

Zu den Nachrichten, die uns erreichen, glauben wir, eine Meinung zu haben. Wir glauben das, weil wir uns nie die Mühe machen, uns eine eigene Meinung zu bilden. Dazu müsste man nämlich denken. Man müsste die Fragen stellen, die von den Nachrichtensprechern und Kommentatoren, auch von den Zeitungsschreibern nicht gestellt werden. Man müsste sich fragen, was an der Nachricht gefehlt hat, oder, was an der Nachricht nicht stimmen kann. Man müsste denken.

Denken kostet Zeit. Zeit haben wir nicht. Außerdem kommt ja sowieso nichts dabei raus, und wenn doch, dann nützt es auch nichts. Die Welt ist nun mal so, wie sie ist. Was soll ich denn daran ändern können?

 

Wir denken zu wenig.

Wie schnell sind wir dabei, zu sagen: Die Welt ist nun mal so, wie sie ist.

Und wie wenig könnten wir erzählen, wenn uns jemand fragt: Ja, wie ist sie denn, die Welt?

Wer kommt da über zwei, drei Sätze hinaus, ohne sich irgendwie blöd vorzukommen, weil doch alle wissen, wie die Welt ist – und weil es doch alle anderen ebenfalls nicht erklären könnten.

Ja. Die Welt ist komplex.

Wer die Welt aus der Perspektive des Maulwurfs betrachtet, der beim Ausschachten seiner Gänge einmal kurz den Kopf an die frische Luft hält, dem ist sie so ungeheuerlich fremd, dass er lieber gleich wieder abtaucht, dahin, wo er sich auskennt.

Niemand zwingt dich, den Maulwurf zu spielen!

Wie wäre es, einmal in die Rolle der streunenden Katze zu schlüpfen, die jeden Quadratmeter ihres Reviers kennt, die weiß, wo sie sich räkeln kann, wenn die Sonne scheint, wo sie Unterschlupf findet, wenn der Regen peitscht, wo es Mäuse gibt, wo ein Futternapf steht, wo sie hartes Gras findet, wenn sie es braucht, um den Magen auszuputzen, die weiß, wo welcher Hund zuhause ist, und welchem Menschen sie aus dem Weg zu gehen hat, weil der immer gleich zum Stein greift und ihn nach ihr wirft.

Sich so weit herauszuwagen, aus der Sicherheit des Wohnzimmers, gibt schon einen deutlich besseren Eindruck von der Welt – und ich wette, jede Katze könnte, wäre sie des Sprechens mächtig, sehr genau erzählen, wie ihre Welt ist.

Nehmen Sie als nächstes den Adler und denken Sie ein Stück weit weiter.

 

Die Komplexität der Welt nimmt ab, wenn man sie von oben her betrachtet. Top down, statt bottom up!

Alle Jahre wieder veröffentlicht Forbes eine Liste der reichsten Menschen auf dieser Welt.

Man muss sich nicht alle merken, sich nicht mit allen beschäftigen, aber wie wäre es damit, einmal die fünf reichsten Deutschen näher zu betrachten. Herauszufinden, womit sie oder ihre Vorfahren reich geworden sind, womit sie jetzt reicher werden und dann bei jedem Gesetzesvorschlag der von der EU und/oder vom Bundestag verabschiedet werden soll, die eine einzige Frage zu stellen: Wem unter diesen Fünfen nützt dieses Gesetz am meisten?

Wenn Sie sich dieser Aufgabe ein Jahr lang gestellt haben, und sich immer wieder ausreichend Zeit gegeben haben, werden Sie mühelos eine ganze Stunde aus dem Stegreif darüber sprechen können, wie diese Welt funktioniert.

Es kann sein, dass Sie dann nicht mehr neutral und ruhig darüber sprechen können, es kann sein, dass Ihnen die Zornesröte ins Gesicht schießt, aber Sie werden wissen, wovon Sie sprechen und Sie werden überzeugend sein.

Hören Sie einfach auf, aus der Maulwurfs- oder Froschperspektive auf die Welt zu blicken. Nehmen Sie jenen Blick an, den auch die ganz Großen auf diese Welt haben, aber nehmen Sie nicht deren Gesinnung an.

Es gilt, die Berge der Hochmut und Arroganz einzuebnen, Berge, wo es in den Unternehmen heißt, der Mensch finge erst beim Abteilungsleiter oder beim Prokuristen an, Berge, wo es in den Aufsichtsräten heißt, der Mensch finge erst, wenn überhaupt, beim Vorstandsvorsitzenden an.

Alle diese Mega-Geld-Maschinen haben nur einen einzigen Zweck, nämlich ihre großen Eigentümer immer noch reicher zu machen, bis dem letzten von ihnen die ganze Welt gehört.

Ihr Geld lässt die Politik nach ihrer Pfeife tanzen, und wo die Politik nicht passt, wird sie ausgeschaltet: Abgewählt, wo das möglich ist – physisch vernichtet, wo es nötig ist.

Politiker in führenden Positionen sind entweder korrupt oder zu naiv, um das Spiel zu verstehen, das mit ihnen gespielt wird, obwohl viele von den Naiven ungeheuer raffiniert sind, aber eben nicht raffiniert genug, um gegen die Think-Tanks der Superreichen anzukommen.

 

Ist es also wirklich nicht zu ändern?

Es gibt sicherlich eine Million und mehr Argumente, die – aus der Maulwurfsperspektive – eindeutig dafür sprechen, dass nichts, aber auch gar nichts zu ändern ist. Dass man fein in seinen unterirdischen Gängen bleiben soll, den Kopf möglichst nie herausstrecken, und dass man eben, wenn die großen Elefanten den Bau zertrampelt haben, einfach wieder neu anfangen muss und sich freuen, dass man diesmal noch überlebt hat.

Auf der anderen Seite gibt es sehr viel weniger Argumente. Es sind auch weniger Argumente als Verweise auf Gesetzmäßigkeiten, die in unserer Welt für alles gelten, was existiert. Es ist lange her, dass ich diese Gesetze schon einmal veröffentlicht habe – und daher an der Zeit, mich zu wiederholen.

 

Die falschen Schlüsse und ungeschriebene Gesetze

Ist es unweigerlich so, dass der Starke den Schwachen, der Reiche den Armen seinen Willen aufzwingt? Hat der Mensch nur die Wahl, entweder selbst immer stärker und reicher – oder zwangsläufig immer schwächer und ärmer zu werden? Es scheint so.

Die Geschichte wird nach wie vor als Geschichte der Kriege und Siege geschrieben. Reiche sind immer noch grundsätzlich im Recht, und wenn ausnahmsweise einmal nicht, dann bekommen sie wenigstens eher und mehr Recht, als andere.

„Wer da hat, dem wird gegeben“, sagt die Bibel, und fährt fort, „und wer da nicht hat, dem wird das, was er hat, genommen.“

Ist es nicht vermessen, diesen abschließenden Glaubenssatz in Frage stellen zu wollen? Vielleicht.

Versuchen wir es trotzdem. Der Dauerhaftigkeit einmal gelegter gesellschaftlicher Strukturen, der scheinbar unbesiegbaren Macht der Reichen und der scheinbar unausrottbaren Aggressivität größerer Vermögen stehen im wesentlichen drei Phänomene gegenüber, die man bei näherem Hinsehen als Gesetzmäßigkeiten erkennt.  Es sind dies:

  • das Gesetz der optimalen Größe,
  • das Gesetz der optimalen Reproduktionsrate und
  • das Gesetz der optimalen strategischen Anpassung.

Diese Gesetzmäßigkeiten wirken beständig auf die Veränderung bestehender und die Herstellung neuer  Gleichgewichte hin. Wer die optimale Größe überschreitet, leitet den eigenen Zerfall ein, wer die optimale Reproduktionsrate verfehlt, gleich in welche Richtung, stirbt aus, wer sich den Anforderungen der optimalen strategischen Anpassung widersetzt, zerbricht.

 

Das Gesetz der optimalen Größe

Auf dieser Welt gibt es glücklicherweise noch andere Gesetzmäßigkeiten, als die stete Wiederkehr des Faustrechts. Es gibt zum Beispiel eine „evolutionäre“ Gesetzmäßigkeit, nach der sich die Höhe von Bergen ebenso wie die Zahl der Bakterien in einer Petrischale, die Zahl der Bäume pro Hektar Wald ebenso wie das maximale Maß der Macht der Mächtigsten bestimmen lässt.

Diese Gesetzmäßigkeit bezieht sich auf das Verhältnis zwischen Last und Träger, zwischen der „Mächtigkeit“  des akkumulierten Vermögens des  Untersuchungsgegenstandes  und der Mächtigkeit der Strukturen, die ihn tragen, sowie der Geschwindigkeit, in der sich die Assimilation zwischen dem Untersuchungsgegenstand und den tragenden Strukturen in beiden Richtungen vollzieht.


Zur Verdeutlichung ein Beispiel aus der Natur: Ein einzelner Baum hat sein optimale Größe dann erreicht, wenn der von seinen Wurzeln erreichbare Boden ausgezehrt ist, aber der Zuwachs an Boden, den er durch die Verrottung der von ihm abfallenden Blätter und Äste selbst hervorruft, ausreicht, seine vitalen Funktionen – ohne weiteres Volumenwachstum – zu erhalten.

Die optimale Größe ist also dann erreicht, wenn die Stabilität der Umwelt des Untersuchungsgegenstandes davon abhängt,  dass dieser im Kreislauf der Veränderung – wie eine stehende Welle am Wehr – ebenso viel an seine Umwelt abgibt, wie er davon aufnimmt, sich also neutral verhält.

Nimmt er mehr in Anspruch, bricht erst seine Umwelt, die Basis seiner Existenz zusammen, dann er selbst. Die Umwelt kann sich mittelfristig regenerieren, weil die gesamte, im Laufe der Jahrzehnte im Baum konzentrierte Materie, über vielstufige Assimilationsprozesse an die Umwelt zurückfällt.

Diese Regel gilt für jede Organisationsform materieller Existenz, nicht nur für Lebewesen. Berge, die sich aufgrund tektonischer oder vulkanischer Kräfte auftürmen, üben irgendwann aufgrund ihrer schieren Masse einen solchen Druck auf die Erdkruste aus, dass sie wieder darin versinken. Planeten, die ihre Masse durch das „Einsammeln“ kleinerer Himmelskörper zu stark vergrößern, werden aus ihrer Umlaufbahn geworfen. Ein einheitlich organisierter Wirtschaftsraum hat seine optimale Mächtigkeit dann überschritten, wenn er in einer Situation weltweiter Knappheit dauerhaft mehr importiert, als er exportiert.

Der Zusammenbruch wegen Überschreitens der optimalen Größe erfolgt nicht unmittelbar, genau wie ein hundertjähriger Baum nicht an dem Tag umstürzt, an dem er den Anfangsbestand an Nährstoffen aufgezehrt hat, ohne rechtzeitig das Gleichgewicht von Verbrauch und Rückführung herzustellen. So ein Baum ist schließlich eine stabile Struktur. Aber wenn es ihm nicht gelingt, mit seinem Umfeld in ein neutrales Gleichgewicht zu gelangen, werden Jahr für Jahr die Folgen der Unterversorgung deutlicher. Er selbst wird geschwächt und anfällig für Krankheiten und Parasiten, aber auch das Leben in seinem Umfeld verarmt zusehends, das Unterholz geht zurück, selbst für Farne und Gräser wird das Nährstoffangebot zu knapp, der Boden verliert mehr und mehr an Qualität, die Fähigkeit, Regenwasser zu  speichern nimmt ab, der gefräßige Riese stirbt jeden Tag ein Stück mehr – und irgendwann wirft der Wind ihn um.

Zweifellos hat ein Staat mehr Möglichkeiten, über seine optimale Größe hinauszuwachsen, als ein an seinen Standort gebundener Baum. Doch selbst der Versuch, mit dem Einsatz militärischer Kraft den einseitigen Strom der Importe aufrecht zu erhalten, vermindert wegen der dafür erforderlichen Erhöhung des Energiebedarfs nur die insgesamt verfügbaren Ressourcen – und beschleunigt damit den Niedergang. Große parasitäre Reiche zerfallen zwangsläufig, weil die Mächtigkeit, die sie erreichen, wenn ihr Wachstum über die optimale Größe hinausgeht, die sie tragenden Strukturen zermalmt.

Zweifellos sind die so genannten „Global Player“ unter den Unternehmen in der Lage, über lange Jahre immer andere Weltgegenden zu schröpfen. Doch sie brauchen, um Profite zu machen, eben nicht nur Gebiete, in denen sich Menschen und natürliche Ressourcen möglichst kostenlos ausbeuten lassen, sie brauchen auf der anderen Seite auch die Konsumenten, welche die billig erzeugten Produkte zu guten Preisen (und mit gutem Geld – nicht mit Dollars aus der Druckerpresse) kaufen.

„Konsumenten“ und „Arbeitskräfte“ sind aber zu einem sehr hohen Prozentsatz nur zwei unterschiedliche Bezeichnungen für die gleichen Menschen, die gegen Lohn arbeiten, um ihren eigenen Bedarf und den Bedarf ihrer Angehörigen zu decken – und die können eben nicht gleichzeitig zu Höchstpreisen konsumieren und zu Hungerlöhnen arbeiten. 

Zweifellos führen auch die Zusammenballungen von Reichtum in elitären Siedlungsgebieten zu Problemen. Hektargroße Grundstücke und die Notwendigkeit, den dort verborgenen Besitz zu schützen, führen zum Ausschluss des normalen Lebens. Was Howard Hughes im Extrem vorexerziert hat, ist im Ansatz das Schicksal aller Villenvorortbewohner, nämlich die selbst gewählte Gefangenschaft im verhassten goldenen Käfig, dessen Tür von der Verlustangst so fest verschlossen ist, dass kaum noch Sauerstoff hineindringt. Neid und Misstrauen zerstören zudem mit der Zeit alle familiären Bande, bis nur noch der Wunsch zu erben übrig ist und alle Skrupel überwindet.

Und im kleinen privaten Haushalt? Nun, der kleine private Haushalt müsste erst noch wachsen, er müsste zum großen privaten Haushalt werden und sich der Zusammenrottung im Villenvorort anschließen, um in Gefahr zu geraten, die optimale Größe zu überschreiten.

So wie sich Tausende von Jungpflanzen in einer Baumschule gegenseitig weder Nährstoffe noch Licht und Wasser wegnehmen, können Tausende kleiner privater Haushalte friedlich nebeneinander existieren, solange von keinem die Grenze des friedlichen Eigentums überschritten wird.

 

 

 

Das Gesetz der optimalen Reproduktionsrate

Viele Hunde sind des Hasen Tod. Ist der Hase aber tot, verhungern die Hunde. Das Interesse der Hunde muss also eigentlich darin bestehen, entweder sich selbst nur so weit zu reproduzieren, dass stets genügend Hasen für alle Hunde da sind, oder die Bedingungen für die Reproduktion der Hasen so zu gestalten, dass die Vermehrung der Hasen mit der Vermehrung der Hunde schritthalten kann.

Tatsächlicher Reichtum entsteht ausschließlich durch die Arbeit von Menschen und er kann nur durch die Arbeit von Menschen erhalten werden. Mit tatsächlichem Reichtum kann aber nicht Geld gemeint sein.  Geld ist eine Fiktion, die immer nur so lange funktioniert, wie es Menschen gibt, welche die von ihnen geschaffenen Werte  gegen Geld eintauschen. Kein Reicher kann für sich alleine nur von seinem Geld existieren. Zu viele Ausbeuter ruinieren den Bestand der Auszubeutenden. Die großen historischen Revolutionen in Frankreich und in Russland waren direkte Folgen eines Verstoßes gegen das Gesetz der optimalen Reproduktionsrate.

Das Gesetz der optimalen Reproduktionsrate ist aber ebenfalls viel universeller, als es der erste Anschein ahnen lässt. Einerseits schließt es nämlich eine Gesetzmäßigkeit der optimalen Lebensdauer ein, andererseits gilt es nicht nur für belebte, sondern für alle Formen der Materie, insbesondere aber für die Erzeugnisse der industriellen Produktion.

Der Aspekt der optimalen Lebensdauer innerhalb dieses Gesetzes besagt, dass ein durchschnittliches Leben umso länger sein kann, je geringer die Reproduktionsrate ausfällt, und dass ein durchschnittliches Leben umso kürzer sein muss, je größer die Reproduktionsrate ist. Diese Gesetzmäßigkeit gilt ebenso für Organisationen, deren Existenzzweck die Herstellung von Reproduktionen ist.

Ein Unternehmen, das Küchenherde nach einem einmal konstruierten Modell konkurrenzlos herstellt, sie also beständig reproduziert, wird umso länger existieren können, je weniger Herde es pro Periode erzeugt. Erzeugt es den gesamten Bedarf an Küchenherden innerhalb einer einzigen Periode, ist es anschließend nahezu überflüssig, es sei denn  die Lebensdauer der Küchenherde ist so kurz, dass sie bereits nach einer Periode vollständig ersetzt werden müssen. Mit jedem aufkommenden Wettbewerber und dessen zusätzlichem Angebot verschärft sich die Situation.

Bei vielen Produkten der elektronischen Industrie ist der Zustand, in dem Produktentwicklungszyklen und Produktlebensdauer ungefähr gleich lang sind, längst erreicht. Die Industrie lebt nur noch, weil es ihr gelingt,  immer schneller immer neuen, glänzenden Schrott herzustellen, der pünktlich zum Erscheinen der nächsten Hardwaregeneration oder Softwareversion seinen Wert nahezu vollständig  verliert, also ersetzt werden muss.

Natürlich gelten diese Regeln nicht nur für das einzelne Produkt oder Unternehmen, sondern – sogar noch stärker – für ganze Branchen. Deshalb ist das einzelne Unternehmen, will es im Wettbewerb überleben, gezwungen, möglichst schnell möglichst große Mengen möglichst schnell veraltender Produkte zu erzeugen und damit die Marktführerschaft zu erringen, in der trügerischen Hoffnung von da an in Ruhe arbeiten und zu kleineren Reproduktionsraten zurückkehren zu können.

Der zwingend erforderliche Partner jeder reproduzierenden Organisation, der Endkunde, kann dieses Spiel aber aus mehreren Gründen nur begrenzt mitspielen. Häufig sind seine finanziellen Mittel begrenzt, so dass er gar nicht so häufig nachkaufen kann, wie das theoretisch erforderlich wäre. Oft empfindet er es auch als lästig, dem rapiden Verfall der von ihm erworbenen Produkte zusehen zu müssen und hält an irgendeinem, einmal erreichten Stand der Kunst so lange fest, bis es wirklich nicht mehr anders geht, um sich dann – aus Schaden klug geworden – auf die Suche nach langlebigerer Qualität zu machen.

Hier sei ein Verweis auf die Automobilindustrie erlaubt, wo diese Gegenentwicklung zu mehr Qualität zumindest in einem Teilaspekt bereits beobachtet werden konnte.   War es in den sechziger und siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts durchaus noch üblich, dass die in Massenproduktion hergestellten Karossen nach spätestens fünf Jahren an mindestens einer Stelle durchgerostet waren, ist heute auch an zehn Jahre alten Autos kaum ein Rostfleck zu entdecken. Damals wie heute war das Rostverhalten von den Qualitätsverantwortlichen im Rahmen einer Gewinnoptimierung über Manipulationen an der Reproduktionsrate geplant, also nicht dem Zufall überlassen.

In Bezug auf die Verteilung von Macht, Eigentum und Gewalt in der Gesellschaft besagt das Gesetz der optimalen Reproduktionsrate, dass die Zahl der Reichen umso kleiner sein muss, je größer das Einzelvermögen und je länger das Vermögen insgesamt erhalten werden soll.

Es besagt weiter, dass eine Ausweitung des Reichtums auf viele Reiche nur gelingen kann, wenn vorhandener Reichtum neu verteilt wird, oder die Zahl der reichtumsschaffenden Menschen und/oder ihre Produktivität wachsen. Letzteres erfordert aber zusätzliche Ressourcen, wodurch nicht nur im Sandkastenmodell eines endlichen Planeten die Ausweitung des Reichtums beschränkt wird.

Er besagt somit letztlich, dass eine rückläufige Bevölkerungsdichte zu einer gleichmäßigeren Verteilung von Eigentum und Vermögen führt, während Bevölkerungswachstum zum Anwachsen der Ungleichgewichte führt. Dies muss vielleicht kurz erläutert werden: Rückläufige Bevölkerungsdichte verknappt – und verteuert damit – das Angebot an leistungsbereiten (weil hungrigen) Arbeitskräften. Die Aufrechterhaltung der luxuriösen Lebenshaltung und die Verteidigung des angesammelten Vermögens werden also aufwändiger, und zugleich verteilen sich die  dafür aufgewendeten Mittel auf eine kleinere Zahl von Empfängern – das Wohlstandgefälle schwindet also.

Eine wachsende Bevölkerung muss hingegen mehr Mäuler stopfen. Ihre einzelnen Exemplare stehen im ruinösen Wettbewerb um die Arbeitsplätze, verdingen sich zu Minimallöhnen und ermöglichen den wohlhabenden Arbeitsplatzbereitstellern damit stetig wachsende Gewinne.

Dass es in Deutschland immer noch eine große Anzahl von Politikern gibt, die den Rückgang der Bevölkerungsdichte als Katastrophe ansehen, deutet darauf hin, dass die PISA-Problematik auch schon vor Beginn der international genormten Wissens- und Verständnistests bestanden haben muss.

 

Das Gesetz der optimalen strategischen Anpassung

Unsere Welt verändert sich ständig. Das ist eine Binsenweisheit – und doch hat sie auf das Verhältnis von Eigentümern zu Besitzlosen einen ganz evidenten Einfluss. Die Veränderungen der äußeren Welt erfordern nämlich in aller Regel auch Veränderungen in den einmal geschaffenen und aufrecht erhaltenen Strukturen.

 

Wer frei von den Lasten des Eigentums in der Lage ist, seinen Aufenthaltsort und seine Gewohnheiten kurzfristig zu verändern, kann nach einem Jahrhunderthochwasser die überflutete Mietwohnung kündigen und sich in einem höher gelegenen Gebiet ansiedeln. Wer den Job verliert, kann der Arbeit nachziehen. Wer die Strahlung eines neu errichteten Atomkraftwerkes fürchtet, zieht weg. Wer als angelernter Arbeiter vom Insolvenzverwalter der Schuhfabrik gefeuert wird, fängt als angelernter Arbeiter in der Molkerei wieder an…

Es wird Zweierlei deutlich: Wer gar nichts hat, keine Rücklagen, keine besonderen Fähigkeiten, keine Vorräte, ist zwar am beweglichsten, aber er wird auch eher von den Verhältnissen und den Veränderungen getrieben, als sich frei entscheiden zu können, und, wer sehr viel hat, großen Grundbesitz, große Vorräte und sehr spezialisierte Fähigkeiten, hat damit zwar zunächst die sicherste Position eingenommen, jedoch hat er es bei größeren Veränderungen auch am schwersten, sich ohne Verluste anzupassen.

Das Gesetz der optimalen strategischen Anpassung besagt nun nichts anderes, als dass sich derjenige strategisch richtig verhält, der Eigentum in einer allgemein nützlichen, vielfach einsetzbaren Form ansammelt und sich davor hütet, unnützen Ballast aufzuhäufen.

Solcher Ballast „überflüssigen“ Eigentums kann nämlich nur unter eigenem Verzicht auf Konsum und Lebensqualität erworben und erhalten, aber selbst nicht genutzt werden. Er muss unter Umständen schon beim Eintritt ganz normaler Risiken aufgegeben werden. Natürlich kann die Erhaltung des Eigentums und die Reduzierung des Verlustrisikos durch den Einsatz von bezahltem Personal gewährleistet werden, ab einer gewissen Grenze ist das ohne Personal sogar gar nicht mehr möglich, doch ist jedes – unter Missachtung des Gesetzes der optimalen strategischen Anpassung aufgehäufte – Vermögen immer auch aggressives Vermögen, das seinen Erhalt mit jedem weiteren Wachstum zusätzlich und überproportional selbst gefährdet. Wer das Gesetz der optimalen strategischen Anpassungen verstanden hat, wird daher jegliches  „Vermögen“, das über das Maß eines angemessenen, friedlichen Eigentums hinausgeht, durch ein entspannteres, luxuriöseres Leben, durch die Rücknahme seiner Gewinnansprüche, oder durch eine Kombination daraus, wieder abbauen, anstatt Zeit und Energie in die Verteidigung eines unsinnigen Vermögens zu investieren.

Diejenigen jedoch, denen dieses Gesetz fremd bleibt, sollten mit sanftem, gesellschaftlichem Druck, durch veränderte Normen und Gesetze ebenfalls auf den rechten Weg gebracht werden.

Natürlich gilt auch dieses Gesetz universell und nicht nur im Verhältnis zwischen Reich und Arm. Doch ist die Klärung der wesentlichsten Voraussetzungen für eine vernünftige Neuordnung des Eigentumsrechtes an dieser Stelle schon so weit fortgeschritten, dass eine nochmalige Ausweitung der Argumentation auf Steine, Hügel und Planeten nur eine überflüssige Abschweifung wäre, die keinen weiteren Nutzen birgt.

 

Soweit dieser Auszug, der zuerst in „Wolf’s wahnwitzige Wirtschaftslehre, Band IV, Eigentum und Teilhabe“ veröffentlicht wurde.

Wir stehen kurz vor Ereignissen, in denen die bestehende Weltordnung durch die Wirkung aller drei Gesetze verändert werden wird.

 

Der Zusammenbruch der Vermögen

Das Prinzip der Reichen, von „Renditen“ zu leben, also von Zinsen und anderen Gewinnen, denen keine adäquate eigene Leistung gegenübersteht, hat den Point of no return überschritten. Die großen Bäume haben den Boden und alles was in und auf ihm lebte längst ausgesaugt. Die letzte Finanzkrise hat erkennen lassen, dass der Stamm längst hohl und morsch ist. Die optimale Größe ist überschritten. Auch der Zusammenschluss des Kapitals unter dem Dach der Globalisierung konnte nur noch wenige dürftige Quellen erschließen, die nicht ausreichen, das Gesamtgebilde ausreichend zu versorgen.

Wir stehen vor einer neuen Finanzkrise. Diesmal wird es kein „Too big to fail“ mehr geben, die Hülle, die von der heißen Luft nie und nimmer tilgbarer Kredite aufgebläht wurde, hat Risse und fällt in sich zusammen.


Der Zusammenbruch des Bevölkerungswachstums

In den letzten 50 Jahren hat sich die Weltbevölkerung mehr als verdoppelt. Der Wanderungsdruck, dem jetzt mit dem Migrationspakt ein Ventil geschaffen werden soll, hat das Potential für eine weltweite Völkerwanderung, die kein Land dieser Erde verschonen wird. Die utopische Annahme, es würden sich in relativ kurzer Zeit neue, multikulturelle Gesellschaftsmodelle herausbilden, in denen sich ein Ausgleich zwischen relativem Wohlstand und absoluter Armut ergäbe, ist meines Erachtens grob fahrlässig. Stattdessen wird es zu sehr, sehr blutigen Verteilungskämpfen kommen welche überall die bestehenden staatlichen Ordnungen und die Infrastruktur zerstören werden. Wo das Militär gegen Eindringlinge eingesetzt wird, werden die Soldaten desertieren, weil die Leichenberge der unbewaffneten Zuwanderer ihre psychischen Grenzen überfordern. Das alles mündet in eine weltweite Hungersnot, in einen dreißigjährigen Krieg um Wasser und Ackerland, in dem marodierende Horden – wieder mit religiöser Verbrämung – raubend und brandschatzend durch die Lande ziehen, während Seuchen viele von denen dahinraffen, die vom Krieg unbeschadet blieben.

Rechnen wir damit, dass die Weltbevölkerung um 2050 herum etwa noch anderthalb bis zwei Milliarden Menschen umfassen wird, die, ermüdet vom Krieg, wieder anfangen kooperativ zu wirtschaften.


Der Fluch der Immobilität

Wer an seinem Besitz hängt, dem wird er bald wie ein Mühlstein um den Hals hängen, wenn es gilt sich in Sicherheit zu bringen oder neue Chancen zu ergreifen. Heute brennen Barrikaden und Autos, morgen die Geschäfte, die Banken, übermorgen die Villen. Wer nicht loslassen kann, verbrennt mit.

Nur wer sich dem Geist der kriegerischen Zeit anpasst und sich von ihm mal hierhin, mal dorthin tragen lässt, statt sich ihm in den Weg zu stellen, wird überleben.

 

Danach ist nichts mehr, wie es einmal war.

Die Menschheit hat überzogen und wird deshalb zurückgeworfen auf eine Entwicklungsstufe, die wir heute als mittelalterlich bezeichnen würden.

Was von der Technik noch funktioniert, ist schwer zu sagen. Wo es noch Strom geben wird, wo es noch Benzin geben wird, wo die Wasserversorgung noch funktioniert, da werden sich die Menschen zusammenfinden und Städte gründen, die heute noch auf keiner Landkarte verzeichnet und in keinem Navi gespeichert sind. Handwerker, die noch mit einfachem Werkzeug umgehen können, werden gefragt sein. Internet wird es nicht mehr geben, noch nicht einmal mehr funktionierende Telefone.

Es hat – ganz unideologisch – das große Gleichmachen begonnen, was Besitz und Eigentum angeht, zugleich hat aber auch eine neue Wertschätzung des Mitmenschen Einzug gehalten,  in Bezug auf das, was er in die Gemeinschaft einzubringen bereit und in der Lage ist.

 

Eine schreckliche Vision?

Im Grunde nicht mehr als ein natürlicher Prozess. Ein Prozess, den durchleben zu müssen, sicherlich grauenhaft sein wird. Doch am Ende steht die Chance für einen Neuanfang, mit dem vieles anders, besser gemacht werden könnte, wenn die Menschheit ihre Hybris als die Ursache ihrer Probleme erkennt und sich davon abwendet.

 

Muss es so kommen?

Die Chancen, dieses Szenario noch abzuwenden sind nicht besonders hoch, aber sie sind da.

Der Zusammenbruch der Vermögen ist nicht zu vermeiden. Die schädlichen Folgen könnten jedoch abgewendet werden, wenn es gelingt das Weltfinanzsystem nach einem totalen Schuldenschnitt vernünftig neu aufzusetzen. Das erfordert die Einsicht der Reichen, dass auch für sie ein Ende mit Schrecken weitaus günstiger ausfällt als der Schrecken ohne Ende. Es gibt Verbohrte darunter, die es nicht einsehen werden, aber auch Kluge, die im richtigen Augenblick die richtige Entscheidung treffen werden.

Würde man diesen Schnitt im Finanzwesen mit einer hinreichenden Kapitalentwicklung und echter Hilfe zur Selbsthilfe in den armen, kinderreichen Staaten kombinieren, könnte auch die Wanderungsbewegung noch eingedämmt werden, bevor es ganz und gar zu spät ist. Es gäbe dann überall auf der Welt, in jeder Nation, in jedem Volk Hoffnung und Fortschritt und wachsenden Wohlstand. Da es sich – im Vergleich zu Deutschland – zumeist   um sehr dünn besiedelte Gebiete handelt, kann auch der mit dem Wohlstand und der Sicherheit einhergehende Rückgang der Kinder pro Frau immer noch so allmählich erfolgen, dass daraus keine anderen Probleme entstehen.

Letztlich würde auch der Fluch der Immobilität kaum wirksam werden. Wo keiner mehr hat als er selbst braucht, aber alle genug, ist die Notwendigkeit schnell ausweichen zu können, äußerst gering.

 

Denk mal!

Nehmen Sie sich einen Block und einen Bleistift und zwei Stunden Zeit. Setzen Sie sich an den Küchentisch, und denken Sie nach. Denken Sie über die soeben gelesenen Gedanken nach. Wo haben Sie gestutzt, was erschien Ihnen sonderbar? Gehen Sie Ihren Zweifeln auf den Grund. Es lohnt sich.

Es kann sein, dass sich Ihnen ein ganz anderes Szenario eröffnet, es kann sein, dass Sie einen Weg entdecken, der mit ganz einfachen Schritten in die bessere Welt führt. Schreiben Sie auf, was Ihnen einfällt. Hinterfragen Sie, was Ihnen eingefallen ist, recherchieren Sie.

Der Lohn für die Mühen?

Erstens, Sie merken, dass das Denken, je länger man denkt, immer mehr Spaß machen kann, und

Zweitens, was bei Ihnen an neuen Gedanken herauskommt, hat eine große Chance, hier veröffentlicht zu werden. Setzen Sie sich damit selbst – wenn auch in unscheinbarem Umfeld  – Ihr Denkmal.

 

In diesem Sinne:

Einen guten Rutsch und ein möglichst erfreuliches Jahr 2019!

Ihr Egon W. Kreutzer

 

P.S.: Bei Wikipedia nach „Denkmäler in …“ suchen. Zu vielen Städten gibt es da Bildergalerien, durch man sich langsam oder schnell durchklicken kann. Ich hab’s mit „Denkmäler in München“ durchgespielt. Hat was. Was Sonderbares.

P.P.S.: Es wäre geradezu himmlisch, würden Sie ab heute in jedem Denkmal, das Ihnen begegnet, einen neuen Denkanstoß erkennen. Sogar dann, wenn Sie täglich zweimal daran vorbeikommen.