Drohne und Euro im Sturzflug

PaD No. 25 /2019 – Auch als PDF verfügbar: PaD 25 2019 Drohne und Euro im Sturzflug

Die „Global Hawk“, Prunkstück der Armada unbemannter Fluggeräte der USA, 40 Meter Spannweite, maximale Flughöhe 18 Kilometer, wurde von den iranischen Revolutionsgarden im iranischen Luftraum vom Himmel geholt. Heißt es.

Es heißt allerdings auch, aus den Reihen der Kommandeure der US-Streitkräfte: „Da war keine Drohne über iranischem Gebiet.“

Wem soll man Glauben schenken?

Nun, es ist sicherlich einfach, Mr. Urban aus den USA zu glauben, dass er von einer Drohne über dem iranischen Luftraum nichts wusste. Aufklärungsflüge mit Drohnen sammeln Daten, die, solange kein heißer Krieg geführt wird, nur dazu dienen, eventuelle künftige Einsätze gegen erkannte Ziele zu planen.

Das vollzieht sich nicht zwingend mit Wissen „eines Kommandanten des Regionalkommandos“.

Schwieriger wird es, sich vorzustellen, dass die USA in der derzeit hoch angespannten Situation tatsächlich darauf verzichten sollten, den Iran mittels Drohnen aufzuklären. Es wäre, man kann es nicht anders sehen, ein sträflicher Leichtsinn, darauf zu verzichten, so dass die Wahrscheinlichkeit, dass in den letzten vier Wochen keine US-Drohne im iranischen Luftraum operiert haben sollte, m. E. gleich null ist.

Das heißt allerdings noch nicht, dass tatsächlich auch eine US-Drohne von iranischen Streitkräften abgeschossen wurde.

Die muss man schließlich erst einmal entdecken, wozu es einigermaßen leistungsfähiger Radarsysteme bedarf, und dann braucht man eine Waffe, die in der Lage ist, so ein Gerät in sehr großer Höhe zu treffen und zum Absturz zu bringen. Das schaffen die Patriot Luftabwehrsysteme der USA und die russischen S300 und S400 Systeme. Der Iran verfügt über mindestens 32 nachgebaute S300 Systeme, die bis zu 27 km Höhe erreichen können, wäre also technisch in der Lage, eine Global Hawk abzuschießen.

Wenn also eine Drohne in den iranischen Luftraum eingedrungen sein sollte, was höchst wahrscheinlich ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie von iranischen Truppen abgeschossen wurde, ebenso wahrscheinlich.

Ein Staat, der sich in höchster Alarmbereitschaft darauf eingerichtet hat, überraschend angegriffen zu werden, und sei es nur, weil jemand glaubt, es wäre – nach den Ereignissen mit den Tankern in der Straße von Hormus – an der Zeit, mal eben einen Vergeltungsschlag auszuführen, kann gar nicht anders, als seinen Luftraum nach Kräften sauber zu halten. Einer Drohne gegenüber macht es auch wenig Sinn, erst einmal Abfangjäger aufsteigen zu lassen, weil ein nicht im Luftfahrzeug anwesender Pilot davon einfach nicht zu beeindrucken ist.

Die Situation unterscheidet sich kaum von der des Jahres 1960, als die Sowjets das hochfliegende US-Spionageflugzeug U2 abgeschossen haben, außer dass da noch ein Pilot – Gary Powers – an Bord war, der sich mit dem Schleudersitz in die russische Gefangenschaft retten konnte.

Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem gewonnene Aufklärungsergebnisse der hohe Preis sind, um den gepokert wird. Der Verlust einer Drohne (die Bundeswehr hat für das Erprobungsmodell der Global Hawk seinerzeit 700 Millionen Euro bezahlt) ist da durchaus zu verschmerzen. Und wenn auch ein Schuss mit einer S300-Rakete in absoluten Zahlen sehr viel billiger kommt, in Relation zu den Militärausgaben – USA >600 Milliarden US-Doller p.a., Iran etwa 14 Milliarden, reißt jedoch auch die einzelne abgefeuerte Rakete ein Loch in den Etat. 

Sicher ist, in den USA wird – wie in jedem Western – exakt mitgezählt, wie viel Schuss der Iran noch im Revolver hat, denn in Bezug auf die Möglichkeit, Nachschub in jeder erforderlichen Menge bereitzustellen, sind die USA dem Iran deutlich überlegen und als ein weitgehend auf „Kriegswirtschaft“ ausgerichteter Staat ist die US-Waffenindustrie sogar noch wirtschaftlicher Gewinner.

Anders sieht es aus im Wirtschaftskrieg, den USA und EU gegeneinander führen.

Der US-Präsident machte seiner Wut darüber, die FED nicht von der Notwendigkeit wieder sinkender Zinsen überzeugen zu können, in einem Twitter-Gewitter zu Draghis jüngsten Äußerungen, den Leitzins der Euro-Zone im Keller zu halten, kräftig Luft.

Als Draghi am Dienstag in Portugal sogar weitere Zinssenkungen und noch mehr billiges Geld ankündigte und der DAX das mit einem kleinen Luftsprung quittierte, platzte Trump der Kragen. Die EU würde den Euro-Kurs nach unten manipulieren und sich damit im Wettbewerb mit den USA auf dem Weltmarkt Vorteile verschaffen.

Blah, blah, blah …!

Die Wut Trumps hat einen sehr viel tieferen Hintergrund.

Der Mann, der angetreten ist, um Amerika (die USA) wieder groß zu machen, und nun noch einmal antreten will, um Amerikas Größe zu bewahren, hat einen viel mächtigeren Gegner als Russland, China und der Iran miteinander.

Trumps Gegner ist Goldman Sachs.

Das Finanzhaus, von dem es praktisch unwidersprochen heißt, es regiere die Welt. Goldman Sachs ist eng mit der Demokratischen Partei der USA verbandelt und hätte viel lieber Hillary Clinton auf dem Präsidentenstuhl gesehen als Donald Trump. Dass Trump sich zu Beginn seiner Amtszeit mit Goldman-Sachs-Leuten umgab (u.a. Steven Mnuchin, Finanzminister und Gary Cohn, Nationaler Wirtschaftsrat, der inzwischen im Streit um Zölle zurückgetreten ist), spielt dabei keine Rolle. Es muss sogar die Frage gestellt werden, ob es nicht eher umgekehrt war, dass Trump mit Goldman-Sachs-Leuten umgeben wurde, um ihn wenigstens ein Stück weit kontrollieren zu können.

Offensichtlich ist, dass die „unabhängige Fed“ und die „unabhängige“ EZB, die währungspolitisch scheinbar als Gegenspieler auftreten, derzeit in einer konzertierten Aktion den Dollarkurs gegenüber dem Euro so in die Höhe manipulieren, dass sich daraus tatsächlich eine Wettbewerbsverzerrung ergibt, die geeignet ist, den wirtschaftlichen Aufschwung der USA zumindest zu behindern.

Dass der Mann mit dem Goldman-Sachs-Stallgeruch, der immer noch an der Spitze der EZB steht und (Obama hat es ähnlich gemacht) nun zum Ende seiner Amtszeit daran geht, seinem Nachfolger noch für möglichst lange Zeit enge Fesseln anzulegen, von den Staats- und Regierungschefs der EU nicht eingebremst wird, deckt sich mit der immer noch nicht überwundenen Trump-Feindlichkeit des Bundespräsidenten und der nicht zu übersehenden Trump-Allergie der Frau im Amt des deutschen Bundeskanzlers. Dass auch Macrons Verhältnis zu Trump zwischen kühl und unterkühlt schwankt, rundet dieses Bild ab.

Frühestens Mitte 2020 – das hat Draghi noch festgelegt – könne wieder über Zinserhöhungen nachgedacht werden – vorerst sind weitere Zinssenkungen und auch neuerliche Anleihenaufkäufe zu erwarten, weil die Konjunktur und die Inflation nicht so wollen, wie sie sollen. Dass die EZB mit all ihrer Politik NICHTS für Wachstum und Inflation (2%-Ziel) erreicht hat, mit ihren Mitteln auch gegen die Finanzindustrie nichts erreichen konnte, außer die Aktienkurse in die Höhe zu treiben, wird als Argument gegen die Fortsetzung des Kurses nicht anerkannt.

Trump kann weder die Fed, noch die EZB mit Sanktionen belegen, um sie zum Einlenken zu zwingen. Das Mittel, das er in der Hand hat, um die Paladine von Goldman-Sachs in der EU empfindlich zu treffen, sind Sanktionen gegen Russland, China und den Iran, die allesamt bereits gravierende Rückwirkungen auf die EU haben, und es ist die immer noch aufrecht erhaltene Drohung mit Strafzöllen gegen die EU, vor allem gegen die europäischen Autobauer.

Letztere dürften nach Ablauf der Aufschubsfrist im November 2019 beschlossen werden, zumal die EU nicht gewillt scheint, Trump entgegen zu kommen.

Wie katastrophal die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA inzwischen aussehen, zeigt sich am deutlichsten daran, dass es den noch flugfähigen Resten der Rosinenbomber-Geschwader verweigert wird, zum Gedenken an 70 Jahre Luftbrücke noch einmal in Berlin zu landen, noch nicht einmal eine Ehrenrunde im Luftraum von Berlin mit dem Abwerfen von Schokolade und anderer Süßigkeiten an Mini-Fallschirmen wurde gestattet.

Das ist eine ganz besondere, neue Form deutscher Erinnerungskultur.

Jeder Bundeskanzler vor Merkel hätte diese Aktion begrüßt und mit bombastischen Rahmenprogrammen geschmückt – und Merkel hätte mit Hillary Clinton händchenhaltend vor dem Luftbrückendenkmal in Tempelhof posiert, wäre diese denn Präsidentin geworden.

Der Knacks in den Beziehungen zwischen der EU (Rest EU, ohne GB) und den USA zeigt sich auch, und damit schließt sich der Kreis dieses Aufsatzes, in der Skepsis gegenüber den Behauptungen aus den USA: „Die Iraner waren es!“

Gäbe es einen Anlass zur Hoffnung, dass damit ein grundsätzlicher Wandel in der Haltung gegenüber der Hegemonialpolitik der USA eingetreten sei, man könnte sich darüber freuen. Doch in meinen Augen handelt es sich dabei leider nur um eine weitere Ausprägung des Trump-Bashings, getriggert wohl auch vom Council on foreign Relations, zu dessen wichtigsten Gründungsmitgliedern, na, raten Sie … auch wieder Goldman Sachs gehört.

 

Nachtrag am frühen Nachmittag:

  • Die USA haben Abschuss der Drohne inzwischen bestätigt, verweisen allerdings darauf, dass sich ihr Fluggerät nicht über iranischem Hoheitsgebiet, sondern über internationalem Gewässer befunden habe.
  • Offenbar von Trumps Zorn über Draghi aufgeschreckt, hat nun auch die Fed erklärt, Zinssenkungen seien wieder möglich. Klingt eher so, als wolle man auf gleichem Abstand zur EZB bleiben.