Die umsonstene Bahnfahrt für Uniformierte

 

Als es die Wehrpflicht noch gab, und der Sold lächerlich niedrig war, und jede zweite Milchkannel über einen eigenen Bahnhof verfügte und die Züge pünktlich waren – da hätte die Idee tatsächlich einigen armen Soldaten geholfen, sich etwas mehr Mobilität leisten zu können.

Suche ich heute nach dem Sinn dieser vermeintlichen Vergünstigung, habe ich einen langen Weg von Irrtum zu Irrtum zurückzulegen, bis sich am Ende zwei durchaus glaubhafte Zielsetzungen herausstellen.

Die eine dieser beiden Zielsetzungen besteht darin, dem Wahlvolk zu vermitteln, wie sozial und großzügig auch die CDU sein kann, wenn sie  glaubt, ein bisschen Aufwind in der Wählergunst gut vertragen zu können. Was wissen denn Lieschen Müller und Knut Mustermann, auf deren Stimmen es ankommt, schon vom Soldatenleben? Die glauben wirklich, da wird den Ärmsten der Armen der Republik, die sich in Afghanistan und Mali und am Horn von Afrika und sonst wo noch dafür krumm machen, Deutschland zu verteidigen, neben der Gemeinschaftsverpflegung und der kostenlosen Unterkunft noch eine weitere Wohltat verpasst.

Die andere ist der Versuch, die Antifa zu provozieren.

Soldaten in Uniform, noch dazu deutsche Soldaten in deutschen Uniformen, das war ja schon immer der Knaller, wenn unter Hochsicherheitsbedingungen zum öffentlichen Gelöbnis angetreten wurde, weil man sich anders der linken Störer nicht erwehren konnte. Hier lesen – und selber weitergoogeln …

Es wird vermutlich nicht gelingen, weil sich kaum einer der Berufssoldaten um den Preis einer kostenlosen Bahnfahrt in Uniform in der Öffentlichkeit zeigen wird. Es sei denn, es verabredet sich eine halbe Kompanie zum gemeinsamen Vatertagsausflug per Bahn in Uniform. Die hätten dann allerdings nicht nur die Antifa zu fürchten, sondern ebenso die Feldjäger, die ja ein Auge darauf haben, dass das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit nicht durch Angetrunkene in Uniform  geschädigt wird.

Sollte es aber dazu kommen, dass tatsächlich ein oder zwei kampfstarke Obergefreite am Freitagnachmittag auf dem Weg ins Wochenende, kurz vor der Ankunft des Zuges, auf dem Bahnsteig ihrer Garnisonsstadt von den linken Friedenstruppen krankenhausreif geschlagen werden, dann hätte man endlich eine Handhabe, massiv gegen die Antifa vorzugehen, wobei sich unter solchen Umständen auch die SPD nicht mehr schützend vor ihre linken Brüder und Schwestern stellen könnte.

Hier zeigt sich nämlich eine echte Schwachstelle der Unionsparteien.

CDU und CSU verfügen über keine parteieigenen, paramilitärischen Einheiten. Das war bis vor 15, 20 Jahren auch nicht erforderlich, weil sie sich als ewige Regierungsparteien stets der Polizeien und Dienste bedienen konnten, wenn es galt, die Konkurrenz besonders hartnäckiger politischer Gegner mit den Mitteln des Rechtsstaates kleinzuhalten. Auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit der ehemaligen Volksparteien ist dieser Weg der Eigensicherung zunehmend  schwerer  gangbar geworden, so dass gegenüber den gut durchorganisierten linken Truppen schon so etwas wie Neid und Missgust aufkommen können, zumal die GroKo, die noch für  eine Art Waffenstillstandsabkommen sorgte, in spätestens zwei Jahren nicht mehr  existieren wird.

So erscheint es geboten, solange man noch einen Zipfel der Macht in Händen hält, die Truppen der Konkurrenz durch Verbot und schlechte Presse zu schwächen, während  man den klammheimlichen Versuch unternimmt, in Schützen- und Trachtenvereinen nach  Aspiranten für den eigenen bewaffneten Arm zu suchen.

Zudem wird auch die Stimmung innerhalb der Bundeswehr positiv für einen möglichen Einsatz gegen Aufständische  im Inneren  beeinflusst, der ja intensiv in Schnöggersburg geübt wird.

Kramp-Karrenbauer stolpert hier in gespielter Naivität mitten hinein in den Rechtsruck  der Union mit dem nicht nur die Linken wieder zu einer großen Zielscheibe für Demagogie und Populismus werden, sondern auch den Rechten das Wasser, rechts von der CSU, wieder abgegraben werden soll.

Das kann man nicht per Parteitagsdiskussion und -beschluss verkünden. Das muss sorgfältig eingefädelt werden. Dass der anfänglich heftige – und durchaus begründete – Widerstand der Bahn gegen nichtzahlende Uniformierte auf allen, auch auf den schon überlasteten und rentablen Strecken, so schnell gebrochen werden konnte, deutet auch darauf hin, dass da hinter den Kulissen ein Machtwort gesprochen und Ruhe verordnet wurde.

Warten wir es also ab, bis es zum ersten heftigen Zusammenstoß zwischen Bundeswehrsoldaten in Uniform und pazifistisch-antifaschistischen Zivilisten kommt. Die Rhetorik, die wir dann von der Union zu erwarten haben, dürfte sich mit dem decken, was wir in den 70er Jahren von Alfred Dregger gewohnt waren, dem es gelungen ist, in der ehemaligen SPD-Bastion Hessen den Stimmenanteil der CDU innerhalb weniger Jahre von 26 auf 47 Prozent ansteigen zu lassen. 

Es ist halt so eine Sache, mit dem Pendel, es dauert lange, bis es zur Ruhe kommt, und bis dahin schlägt es immer  wieder gnadenlos aus – mal nach links, mal nach rechts. Das CDU-Pendel  kommt hoch von links – und wenn es sich nicht aus der Verankerung löst, muss es jetzt kraftvoll niedersausen bis es wieder hochrechts für einen Augenblick schwerelos verharrt.