Der GRÜNE Traum

Der Höhenflug der GRÜNEN gehört zu jenen Erscheinungen, für die es auf dem offenen politischen Spielfeld keine Erklärung gibt.

Von der grünen Programmatik her gibt es nichts, was die von den Demoskopen bereitgestellten Zahlen über die Zustimmung der Wähler für die Grünen ausgelöst haben könnte.

Natürlich stellen sie sich in die vorderste Linie der Klimaretter und hängen an den Weltdurchschnittstemperatursenkungszielen wie die Kletten am Lodenmantel, doch das „Ökologische“ hat ihnen über die Jahrzehnte – von sporadischen Ausreißern abgesehen –  nicht mehr als jene durchschnittlichen acht bis 10 Prozent gebracht, die durchaus ausreichten, um die jeweiligen Regierungsparteien zu zwingen, sich selbst vernünftig ökologisch zu positionieren.

Es war in der Vergangenheit sogar regelmäßig so, dass die Zustimmung für die Grünen mit der Zunahme der Radikalität ihrer Forderungen eher abgenommen hat, weil eine Mehrheit der Wähler radikale Forderungen, egal woher sie kommen, stets eher ablehnt, statt ihnen zuzustimmen.

Die Zäsur kam mit der Bundestagswahl 2017. Betrachtet man die Forsa-Ergebnisse, dann wurden die Grünen in der Woche vor der Wahl noch bei 7 Prozent verortet. Das  Wahlergebnis lag dann am 24.09.2017 bei erstaunlichen 8,9 Prozent und ließ für eine Weile die Jamaika-Glocken läuten. Eine Woche später lagen die Grünen bei 10%, Ende November bei 12, Anfang Dezember bei 13.

Am 27. Januar 2018 wurden Robert Habeck und Annalena Baerbock als neue Bundesvorsitzende der Grünen gewählt.

Die Umfrageergebnisse änderten sich nicht.

Die Werte für die Grünen schaukelten bis Mitte Juni 2018 zwischen 11 und 13 Prozent auf hohem Niveau vor sich hin.

  • Am 16.06. lagen sie erstmals bei 14 Prozent,
  • am 11.08. erstmals bei 15%,
  • am 1.9. erstmals bei 16%,
  • am 29.09. erreichten sie 17%, und dann ginge es Schlag auf Schlag, Woche für Woche nach oben.
  • Am 6. Oktober 2018 18%,
  • am 13. Oktober 19%,
  • am 20 Oktober 21%,
  • am 3. November 24%.

Das war der Gipfel, der seither nicht wieder erreicht wurde.
Was sich gehalten hat, ist die Mär von der „überraschenden Stärke“ der Grünen.

Was ist in dieser Zeit passiert, welche Geschehnisse könnten den Zulauf für die Grünen erklären?

  • Die Monsanto-Übernahme durch Bayer am 7. Juni?
  • Die erste Sitzung der Kohlekommission am 25. Juni? Beides eher nicht.
  • Der französische Sieg bei der Fußballweltmeisterschaft und das Ausscheiden der „Mannschaft“ schon in der Vorrunde? Sicherlich auch nicht.
  • Der heiße, viel zu trockene August? Ja, vielleicht, ein bisschen.
  • Der Beginn der Chemnitzer Ereignisse? Ja, vielleicht, ein bisschen.
  • Der Beginn des Oktoberfestes Ende September?
  • Merkels Rücktritt vom Parteivorsitz im Oktober? Beides eher nicht geeignet, den Grünen Wähler zuzutreiben.

Was aber hat dann dazu geführt, dass sich innerhalb von nur fünf Monaten zuletzt doppelt so viele Befragte für die Grünen aussprachen als zuvor?

Robert Habeck, gelernter Philosoph mit praktischer Erfahrung aus dem Zivildienst in einer Spastiker-Einrichtung, Annalena Baerbock, die, wie Habeck, außerhalb der Politik keinerlei Erfahrung sammeln konnte, außer vielleicht als Trampolinspringerin – sollten diese beiden charismatischen Figuren das Publikum in ihren Bann gezogen haben, wie Siegfried und Roy die Touristen in Las Vegas?

Sicher, beide bekamen viel Gelegenheit sich öffentlich-rechtlich zu produzieren und schöngeistige Worthülsen abzusondern, doch kann das genügen?

Natürlich kann es das. Wir haben es am schönen Baron zu Guttenberg ebenso feststellen können, wie am trockenen Buchhändler Schulz aus Würselen. Noch früher waren es der radfahrende Verteidigungsminister Scharping und der Bobby-Car führende Bundespräsident Wulff.

Hochgeschrieben, und dann wieder runtergeschrieben, gerade so, wie es gebraucht wurde.

Jedenfalls haben die Demoskopen nach den sagenhaften 24% schon einmal die Bremse betätigt und die Grünen wieder herabgestuft. Es folgten drei Wochen mit 23%, zwei Wochen mit 22%, zwei Wochen mit 19%, und seitdem pendeln die Grünen bei Forsa zwischen 19 und 20% hin und her. Das ist immer noch viel mehr als mir mein Bauch in Bezug auf das Abschneiden der Grünen in der Wählergunst an gefühlten Prozenten anbietet – und wenn es irgendeinen äußeren Grund für die Gunst der Stunde der Grünen gäbe, dann hätte Greta sie in den letzten Wochen auf satte 30 Prozent hochschießen müssen. Genau das aber ist ausgeblieben. Ein Einfluss des in Europa umgehenden Gespenstes mit dem Namen Greta ist nicht festzustellen. Weder bei Forsa, noch bei irgendeinem anderen Meinungsforschungsinstitut.

Meine Erklärung setzt anderswo an.

Die Nöte der Demoskopen

So ein Meinungsforscher, der herausfinden will, wie sich bei nächsten Wahlen die Stimmen auf die Parteien verteilen werden, hat ein großes, schwer überwindliches Problem: Es müssen immer 100 Prozent gefüllt werden. Wie auch immer.

Um dieses Problem zu vereinfachen (simplify your life) könnte es zweckmäßig sein, aus den betrachteten Parteien zunächst einmal drei Häufchen zu bilden, nämlich

  • Häufchen A) die Regierungsparteien,
  • Häufchen B) die aktiven Angreifer,
  • Häufchen C) die Vor-sich-hin-Dümpelnden,

und dabei zu unterstellen, die Verhältnisse zwischen diesen Häufchen würden sich weniger und zugleich signifikanter ändern als die Verhältnisse zwischen den einzelnen Parteien. Dafür gibt es durchaus Indizien.

Nun haben die letzten Wahlen gezeigt, dass die Zustimmung zum A-Häufchen, also zur GroKo, massiv eingebrochen ist – und die Rohdaten der folgenden Umfragen haben diesen Einbruch vermutlich noch  deutlich verstärkt.

So standen Union und SPD vor der Bundestagswahl 2017 gemeinsam bei Forsa mit 58 Prozent zu Buche. Die Wahlen brachten der GroKo jedoch nur noch 53 Prozent –  und in der neuesten Umfrage werden ihnen nur noch jene 44 Prozent zugebilligt, die sich gleichzeitig auch als Durchschnitt für Union+SPD in den Umfragen auf Landesebene für die Landesparlamente ergeben.

Da sind also 14 Prozent verloren gegangen. Wohin damit?

Ich weiß nicht, was die Rohdaten von Forsa und den anderen Instituten aussagen, ich weiß allerdings, dass die Rohdaten nur das Material sind, aus dem anschließend die Aussagen geknetet werden, und da kommt dann auch die staatsbürgerliche Verantwortung der Demoskopen zum Tragen, die für eine solche Wählerwanderung eben nicht nur die Quelle sondern auch das Ziel benennen müssen. Man hat keine Erfahrung mit dem Abschmelzen von Volksparteien auf Werte unter dreißig Prozent, man hat keine Erfahrung mit dem Aufwachsen von Oppositionsparteien von null auf über 20 Prozent. Also müssen die Rohdaten solange gedreht und gewendet werden, bis sie einerseits glaubhaft und andererseits nicht allzu beunruhigend wirken.

Nach der Häufchen-Methode wird nun angenommen, dass  die Stimmen der „linkskonservativen staatstragenden Elemente“ unter den Wählern, die dem A-Häufchen verloren gegangen sind, nicht etwa zu den Vor-sich-hin-Dümpelnden, also zur FDP oder zu den LINKEn gewandert sind, sondern aus Unzufriedenheit und Protest, aus dem Wunsch, Veränderungen hervorzurufen, eher dem B-Häufchen zugeflossen sind, wo aktive Angreifer mit  radikal-reformerischen Vorstellungen für sich werben – und das sind nun einmal einerseits die Grünen und andererseits die AfD. Wenn man auch hier die Umfrageergebnisse für die Landeswahlen heranzieht, stellt man fest, dass der Stimmenanteil beider Parteien von Land  zu Land zwar unterschiedlich, ja sogar extrem unterschiedlich ausfällt, dass beide zusammen aber (fast) überall auf einen Wert von um die 27% kommen.

Sonderbarerweise sieht das derzeit im Bund anders aus. Da werden dem B-Häufchen satte 32 Prozent zugerechnet.

Und in diesen 32 Prozent kommt das Dilemma der Demoskopen voll zum Ausdruck.

Der Wert an sich dürfte ziemlich korrekt sein. Die Abwanderungsbewegung von der GroKo macht seit der letzten Umfrage vor der Bundestagswahl immerhin 14 Prozent aus. Die müssen irgendwo hin. Die LINKE und die FDP und die Sonstigen haben davon kaum etwas abbekommen, also gehen die zu den „aktiven Angreifern“ mit ihren radikal-reformerischen Vorstellungen. Da gab es in der Woche vor der letzten Bundestagswahl 18% (7% Grün, 11% AfD) und jetzt gibt es 14% mehr, also die bewussten 32 Prozent.

Bei dieser letzten Umfrage gingen die Demoskopen davon aus, dass 2017 auf die Grünen 3.270.000 gültige Zweitstimmen entfallen würden.
Heute gehen Sie davon aus, dass 2021 auf die Grünen 9.344.000 Stimmen entfallen werden. Ein Plus von 185 Prozent

Das ist für mich rational nicht mehr nachvollziehbar.

Und an den Mitgliederzahlen der Grünen Partei lässt sich das auch nicht ablesen.
Die sind im letzten Jahr zwar gestiegen, aber eben nicht um 185 Prozent, wie die Prognose,  sondern nur um durchaus noch nachvollziehbare 15,75 Prozent.