Demokratie à la Macron und Konsorten

„Wir dürfen nicht zulassen, dass die Nationalisten, die keine Lösungen anzubieten haben, die Wut der Völker ausnutzen.“

Das ist wohl die Kernbotschaft Emmanuel Macrons für die Wahlen zum EU-Parlament. Es ist ein Satz, bei dem man beim Lesen die Krätze bekommen könnte. Aber kein Qualitätsblatt in Europa hat seine Leser vor diesem Satz bewahrt.

Beginnen wir beim Offenkundigsten. Macron spricht  die „Wut der Völker“ an, verkneift sich aber jeden Versuch der Ursachenforschung. Die „Wut der Völker“, das scheint für ihn eine Eigenschaft oder eine wiederkehrende Erscheinung von Völkern zu sein, die man hinnimmt, wie einen Regenschauer. Entweder bleibt man da im trockenen Palast, oder man lässt sich von Lakaien  unter einem XXL-Regenschirm von der Haustür zur gepanzerten Limousine geleiten.

Er, die große Zielscheibe der Wut der Franzosen, die mit überwältigender Mehrheit den Aktionen und Forderungen der Gelbwesten applaudieren, er, der keine Lösung hat, die Wut jenes Volkes zu beruhigen, dem er als Präsident dienen sollte, er, dessen Volk ihn mehrheitlich nicht mehr seinen Präsidenten nennt, während er vermutlich, wenn er von den Franzosen, als seinem Volk spricht, eher in Kategorien des Eigentums als in denen von Gemeinschaft undVerbundenheit denkt, er zieht sich zurück auf ein gesichtsloses „Wir“.

Das ist die zweite übelkeitserregende Farce in diesem Satz. „Wir dürfen nicht zulassen …“

Wir. Wer vor einer Wahl die Trommel schlägt, um seine Anhänger hinter sich zu versammeln, meint mit „wir“ immer zuerst sich selbst, seine Partei und deren Ziele.

Wer vor einer Wahl erklärt, „wir dürfen etwas nicht zulassen“, will sich damit eine moralisch überlegene Position verschaffen, sich zum „Wächter“ erklären, und damit alle, die anderer Meinung sein sollten, von vornherein diskreditieren, ohne ihre Argumente überhaupt anzuhören, geschweige denn, darauf einzugehen.

Diese Art von Demokratie beruht nicht auf dem Prinzip des Austauschs von Meinungen, Absichten und Zielen,  wobei versucht wird, die Zustimmung einer Mehrheit zu erlangen, sondern auf dem Prinzip des Faustrechts, bei dem Recht hat und immer weitermachen darf, wer es schafft seine Gegner K.O. zu schlagen.

Damit sind wir bei der dritten Dreistigkeit  des Präsidenten Macron. Denn er (wir) will ja nicht nur nicht zulassen, dass sich jemand anderes als er (wir) um die Wut der Völker kümmert, nur weil er (wir) sich nicht darum kümmert, er will explizit verhindern, dass die Nationalisten die Wut der Völker ausnutzen – weil die Nationalisten keine Lösungen haben.

Wo auch immer in dieser EU Leute, die Macron abfällig „Nationalisten“ nennt, in der Regierung sitzen, wie z.B. in Ungarn oder Italien oder Österreich oder Polen oder Tschechien oder Rumänien, sind zwei durchweg gleichartige Beobachtungen zu machen.

Erstens, das Phänomen der Wut der Völker gegen  die eigene Regierung ist marginalisiert und oft auf von außen gelenkte Oppositionsgruppen  beschränkt, während die Mehrheit geschlossen ebenso hinter Orban, wie hinter Salvini steht.

Zweitens, es sind dort nicht nur Lösungen  gefunden worden, sie wurden auch erfolgreich umgesetzt, woraus sich „erstens“ wieder erklärt.

Halten wir doch einmal ein paar essentielle Wahrheiten fest:

Die EU ist kein Staat. Die EU hat kein Staatsvolk, keine Verfassung, keine Regierung und folglich auch  kein Parlament, auch wenn es ein paar hundert Leute gibt, die ihre Zusammenkünfte als Sitzungen des EU-Parlaments bezeichnen.

Die EU ist eine supranationale Vereinigung, die mit dem Ziel der Bündelung der wirtschaftlichen Kräfte als Freihandelszone entstanden ist und sich mehr und  mehr zu einer „Vereinheitlichungs-Zone“ entwickelt  hat, in der es unter Verzicht auf die demokratischen Spielregeln und ohne die Völker zu befragen, mehr und mehr gelungen ist, gewachsenes nationales Recht, gewachsene nationale Werte und gewachsene nationale Sozialsysteme – auf den kleinsten gemeinsamen Nenner hin – zu nivellieren, während das Kapital größtmögliche Freiheiten genießt, auch die Freiheit, seine Steuern  dort zu bezahlen, wo es überhaupt nicht mehr weh tut.

So ist es den Nachfolgern von Graf Coudenhove-Kalergi, einem ausgesprochenen Rassisten, dem aber dennoch die Ehre des Karlspreises zuteil wurde, die Völker bereits weitgehend zu entrechten, ihre nationalen Parlamente zu Zustimmungsautomaten für EU-Regelwerke zu degradieren und ihre Justiz  einem so genannten „Europäischen Gerichtshof“  zu unterstellen, der natürlich auch schon im Namen den Betrug trägt, der da besagt, die EU sei Europa. Ist sie nicht. Da muss man nicht nach Moskau reisen, um das festzustellen, es genügt, sich in Zürich umzusehen.

Es ist eine Illusion, die Bürger der Mitgliedsstaaten seien auf eine wundersame Weise zu EU-ropäern geworden, nur weil die EU einen einheitlichen Reisepass herausgibt. Es gibt in der EU, von links nach rechts, nur Portugiesen, Spanier, Iren, Franzosen, Engländer, Belgier, Niederländer, Luxemburger, Italiener, Deutsche, Österreicher, Dänen, Tschechen, Slowenen, Kroaten, Bosnier, Schweden, Finnen, Polen, Litauer, Esten, Letten, Slowaken, Ungarn, Griechen, Rumänen, Bulgaren, Zyprioten.

In allen diesen Staaten gibt es ein Parteienspektrum, das von kommunistisch-sozialistisch-grün-links über eine konservative-restnationale Mitte bis hin zu betont national-patriotisch-rechts reicht.

Aus diesem Parteienspektrum heraus wird in jedem dieser Staaten durch Wahlen eine Partei oder eine Koalition in die Regierung bestimmt, die nach der jeweiligen Einschätzung der Wähler am besten geeignet ist, die Interessen des Staates und seiner Bürger zu vertreten, und zwar im Zweifelsfall auch gegen die EU.

Das ist legitim, es ist notwendig, und es ist vor allem demokratischer als alles, was die EU zu bieten hat.

Und daher ist es auch legitim und notwendig, dass die Völker der Nationalstaaten, die das für den besseren Weg halten, erklärte EU-Kritiker, EU-Skeptiker und EU-Gegner ins EU-Parlament schicken können. Das Parlament selbst  bleibt dabei ein wirklungsloses Organ, doch die Signalwirkung, die von einem solchen Wahlverhalten ausgeht, darf nicht unerschätzt werden.

Wer sich – wie Macron und Merkel – primär schützend vor die EU stellt, missachtet den Gestaltungswillen souveräner Völker und setzt dem einen pseudo-elitären, autokratischen Machtwillen entgegen, der eben nicht ewig  ausgeübt werden kann, ohne die Wut der Völker auszulösen.

Die Forderung nach einem Rückbau der EU, nach einer Rückgabe der an Brüssel übertragenen Souveränitäts- und Gestaltungsrechte der Nationalstaaten wurde lange genug mit verbindlichem Tonfall gestellt. Sie wurde geflissentlich überhört und der Einfluss der EU stattdessen weiter ausgebaut und zementiert.

Mit der Umsetzung der Coudenhove-Kalergi-Forderung, in Europa eine leicht lenkbare menschliche Mischrasse minderer Intelligenz zu züchten, und dafür Massen von Afrikanern und Asiaten unter die weißen Europäer zu bringen, die mit Merkels Grenzöffnung und der unerschütterlich durchgezogenen Unterzeichnung des für die europäischen Völker verheerenden Migrationspaktes fortgesetzt, ja besiegelt wurde, ist die Geduld der wütenden Völker mit der Herrschaftsclique der EU am Ende.

Der Versuch, sie mit Argumenten des Humanismus und der Nächstenliebe einzustimmen, und ihnen zugleich zu suggerieren, die Zuwanderer bildeten den notwendigen Eratz für fehlende Fachkräfte und damit auch jenes Kollektiv, das für den Erhalt von Renten und anderen Sozialleistungen erforderlich sei, fällt  Land für Land im Domino-Effekt als pure Spruchblase in sich zusammen.

Was wir erleben, ist das, was ich boshaft als „von einem Exkrement ins andere fallen“ bezeichne.

Man hat überzogen. Das Pendel ist weit nach neo-conservativ-globalistisch-raubtierkapitalistisch  ausgeschwungen und hat wegen des trügerischen internationalen Anstrichs weite Teile der sozialistischen Internationale dazu gebracht, sich blind und taub mitreißen zu lassen. Der Scheitelpunkt des Ausschlags ist bereits Vergangenheit, wir nähern uns – und hierunter fällt auch Annegret Kram-Karrenbauers Faschingsrede – wieder dem Zustand der Normalität. Doch der Schwung des Pendels wird uns dort nicht stehenbleiben lassen, der Ausschlag nach der anderen Seite kommt unweigerlich, und dort wird es – unter einer seitenverkehrten political correctness – wieder sehr ungemütlich werden.

Von der Schiffschaukel auf dem Volksfest kennt man die Funktion des Bremsers, der die Schaukel sicher – voll in der Mitte – zum Stehen bringt. Der Kitzel, für einen winzigen Augenblick völlig schwerelos frei im Raum zu schweben, ist dann vorbei. Dafür steht man wieder ganz konservativ-konventionell mit beiden Beinen fest auf dem Boden – was die Voraussetzung dafür ist, überhaupt etwas Sinnvolles von Bestand schaffen zu können.

Lasst uns miteinander nach dem Bremser Ausschau halten.
Allzulanges Vergnügen auf der EU-Schaukel  kann zu Schwindelanfällen und Übelkeit führen.