Berlin einst arm aber sexy – heute: mietendeckelzuzugsbremsenplemplem

Es ist nicht gesagt, dass es sich bei den Befürwortern verrückter Ideen in jedem Falle um Verrückte handeln muss – es kann auch die blanke Verzweiflung sein, die sich in solchen Vorschlägen Bahn bricht.

Nun hat man gefühlte drei Wochen lang auf die LINKEn eingedroschen, die versuchen, ein nicht näher benanntes Problem mit einer rückwirkend gesetzlich festzuschreibenden Höchstmiete zu bekämpfen, und nun kommt einer aus der CDU daher und will ein möglicherweise sehr ähnliches, ebenfalls nicht näher benanntes Problem, mit einer Zuzugssperre lösen.

Eine Partei, zu deren Staatsräson es gehört, Staatsgrenzen nicht schützen zu können, leistet sich mit Christan Gräff einen Repräsentanten, der doch tatsächlich glaubt, man könne Menschen, die in Berlin leben wollen davon abhalten, dies zu tun, und – vor allem – damit könne irgendein Problem Berlins gelöst werden. Gräff wurde aus den eigenen Reihen kritisiert (zum Glück!) und hat inzwischen verbal wieder abgerüstet, doch stellt sich schon die Frage, ob, wer solche wohnungspolitischen Sprecher hat, überhaupt noch Bürger braucht.

Es stellt sich auch die Frage, ob die CDU, einst ein Hort der Sozialen Marktwirtschaft, überhaupt noch weiß, wie „Markt“ funktioniert und warum eine Stadt wächst.

Eine Stadt wächst so lange, wie sie für potentielle Bewohner gegenüber anderen Städten und Regionen (in unterschiedlichsten Kriterien unter dem Strich) eine höhere Attraktivität besitzt.

Arbeitsgelegenheiten spielen dabei eine große Rolle, Freizeitangebote, soziale Kontaktmöglichkeiten, kulturelle Angebote, Qualität des öffentlichen Nahverkehr,  usw. werden abgewogen gegen die Kosten des Lebensunterhalts, das physische und psychische „Stadtklima“, die Einsamkeit in der anonymen Masse, und wenn unter dem Strich ein deutliches Plus für die Stadt steht, dann wird die Stadt gewählt.

Insofern muss steter Zuzug in die Stadt –  trotz hoher Mieten, unzureichender Infrastruktur, wachsender Kriminalität und Verlotterung der öffentlichen Einrichtungen – weniger als ein Problem der Stadt angesehen werden, sondern als ein Problem jener Orte und Regionen, aus denen sich der Zuzug speist. Die  vom Grundgesetz verheißene und mit dem Länderfinanzausgleich herzustellende Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen kann nicht gelungen sein, wenn sich Städte trotz miserabler Lebensbedingungen des weiteren Zuzugs nicht erwehren können, weil die Lebensbedingungen, dort, wo die Zuzügler herkommen, noch miserabler sind.

Es ist Aufgabe des Bundes – und Art. 72 des Grundgesetzes verpflichtet ihn dazu – die ländlichen Regionen zu stärken. Wenn dies gelungen ist, werden sich die Verhältnisse in Berlin und den anderen Ballungsräumen von alleine normalisieren.

Allerdings braucht es dazu Ideen, wie die Attraktivität von Gemeinden und Regionen gestärkt werden kann, und es braucht Finanzmittel, um diese Ideen zu realisieren. Da hält man sich lieber zurück. Eine Zuzugssperre hingegen kostet so gut wie nichts und bringt im Zweifelsfall den „Straftatbestand des unerlaubten Zuzugs nach Berlin“ mit sich, der durchaus mit ensprechenden Bußgeldern neben den Parkgebühren und Falschparker-Verwarnungsgeldern eine neuen Einnahmequelle sprudeln lassen könnte.

Die beste Chance, einen Bürgerkrieg anzuzetteln, bestünde übrigens darin, beide Vorschläge zu realisieren:

Die maximale Miete je m² für die nächsten 15 Jahre auf Werte zwischen 2,57 und 7,97 Euro deckeln, also per Gesetz ein Paradies für Bestandsmieter schaffen, und
gleichzeitig allen anderen per Zuzugsstopp die Teilhabe an diesen paradiesischen Zuständen verwehren. 

Insofern muss man mit dem amtierenden rot-rot-grünen Senat in Berlin als dem „kleineren Übel“ immer noch hoch zufrieden sein. Die wahre Katastrophe wäre die Koalition aus CDU und der LINKEn.